Das Grab der Legionen
führten.
Titus lernte dieses Land allmählich kennen und fühlte sich trotz der Kargheit beinahe heimisch. Der Frühsommer würde mit zunehmender Wärme und häufigem Regen Blüten und Grün hervorbringen - nachher freilich schob sich die sengende Glut des Sommers über die Hochflächen.
Die Berge im Osten waren jetzt verschneit. Die Wasserscheide zwischen Jalu und Duro bildete auch die stillschweigend anerkannte Grenze zwischen römischem und iberischem Recht. Vor einem Menschenalter war das noch anders gewesen; nun aber hieß der Jalu Jalus, und Präfekten und Richter und Steuereinzieher des Senats befahlen dort.
Und nun setzten die Legionen zum Sprung an, das letzte Stück des freien Iberien zu überrennen. Vorerst waren sie mit blutigen Köpfen zurückgekehrt und operierten nur in den Seitentälern. Der Tag der Entscheidung würde jedoch bald kommen.
„Woran denkst du?" fragte Rega.
Titus schwieg. Sollte er ihr sagen, daß Malega schön sei? Sie würde ihm kaum glauben. „Wenn es so etwas gäbe - ich wählte von jedem etwas. Von euch die Menschen, von Rom die Lebensweise und die Kultur", sagte er dann versonnen.
Darauf antwortete sie nun wieder nicht.
„Stimmt, ihr seid aufrichtiger als die meisten Römer. Ein Iberer sagt ja und meint ja. Bei uns heißt es stets: Ja, aber... Und das ‚aber' wird meist vergessen, damit der andere nicht errät, was man meint." Er seufzte und schaute sie an. „Dafür wirst du in Rom schöne Marmorplatten, wunderbare Statuen, erlesenste Speisen und viel Gold finden."
„Es ist Krieg", erwiderte sie. „Unser Reichtum waren die Schafe. Doch wie sollen wir sie züchten und verkaufen? Unsere Felder und Weiden werden verbrannt, sogar die Korkeichen und Obstbäume gefällt. Aber wir sind frei."
„Ich weiß. In Rom ist jeder Satz ein verborgener Dolch."
Das Mädchen lächelte verloren. „Titus, als ich einmal mit Eladu sprach - schade, daß du ihn nicht kennst —, sagte er etwas, was ich nie vergessen werde. Als wir von den Fremden redeten, meinte er: ,Rom ist wie eine wunderbare Blume voll tödlichem Duft.' Hat er nicht recht?"
Erstaunt blickte er Rega an. „Ein Satz wie von einem Dichter! So gut würde ich es nie ausdrücken können. - Sag mal, wer ist Eladu? Was macht er, und woher kennt er uns Römer?"
„Ein Dichter ist er nicht. Wir haben nur wenige Sänger. Sie treten bei den großen Netos-Feiern auf, dann berichten sie von den Taten der Götter und unseren heldenhaften Vorfahren. - Eladu reist viel im Land umher. Er lebte lange an der Küste, ich glaube, in Sagunt..., oder war es Tarraco? Man sagt so. Wenn du ihn fragst, lächelt er und schweigt. Sicher hat er böse Erinnerungen. Von denen spricht man ja nicht."
Titus nickte. Jener Tag auf dem Sklavenmarkt war auch für alle Zeiten in ihm verschlossen, und nie würde ein Satz darüber auf seine Lippen kommen.
„Er gibt uns gute Ratschläge, wenn wir sie brauchen. Manch gescheiter Plan stammt von ihm, aber er rühmt sich dessen nicht wie andere." Sie hatte leiser gesprochen, mit einem fremden Ton in der Stimme.
Titus blickte das Mädchen fragend an; umsonst, sie gab keine Erklärung.
Kein Wort fiel, während die Wolken über den Himmel zogen und der Wind wieder stärker blies. Titus hatte sich in einen dicken Wollmantel gehüllt, weil sich der Fieberanfall leicht wiederholen konnte. Man sollte die Götter nicht reizen.
„Ein geräumiges Haus, ein gutes Stück Land..., diese Zukunft wäre schön", sagte sie unvermittelt. „Niemals Angst, daß jemand kommt und alles wegnimmt oder zerstört."
„Ja", stimmte Titus zu und meinte es ganz ehrlich, „das wäre erstrebenswert." Seine Finger glitten leicht über ihre Schulter, und das Mädchen lächelte verborgen.
„Titus?"
„Ja?"
„Willst du bei mir bleiben?"
Verwirrt schaute er sie an. So weit waren seine Gedanken bislang nie gekommen. „Du meinst...?"
„Gewiß", erwiderte Rega eifrig. „Ich wollte es dir schon früher sagen. Schicklicher wäre gewesen, wenn du gesprochen hättest..., aber wann wäre das wohl gewesen?"
„Du brauchst mich nicht saumselig zu nennen”, begann er und senkte die Augen. „Mir fehlen die richtigen Worte. Und da ist doch vieles zu bedenken! Dein Freund Keri - dein Vater und all die anderen..." Rega seufzte. „Weshalb machst du die Dinge komplizierter, als sie sind? Wer ist Keri? Wer ist mein Vater, wenn es nur um uns beide geht? Die Götter sind dann mit uns. - Nun?"
Unsicher schaute er auf. „Nun?"
Jetzt mußte
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