Das Grab der Legionen
das Mädchen doch lachen, zog ihn kurzerhand an sich und schlang die Arme um seinen Hals.
Müde und abgekämpft zogen die Krieger den Weg herauf. Die befreiten Sklaven klammerten sich an die Sättel. Jeden hatte die weite Strecke mit den zahllosen notwendigen Umwegen erschöpft.
Das Burgtor stand offen. Fast alle Bewohner warteten, um die Heimkehrenden zu begrüßen. Freudige Rufe erschallten, wenn man Verwandte erkannte; banges Schweigen zeigte Angst um einen Verwundeten oder Fehlenden.
Straff aufgerichtet stand Senkin vor dem Haus des Ältestenrats, hinter sich die anderen Graubärte. Seitlich von ihm wartete der Heilige Mann, denn Sieg oder Niederlage war ein Werk der Götter. Der Priester würde nicht vergessen, seinen Teil zu fordern.
Keri glitt aus dem Sattel und grüßte in die Runde. Mit dürren Worten erwähnte er die Toten und zählte ausführlicher die zur Rache niedergemachten Legionäre auf. Dann sprach der Anführer von der Beute, deren größter Teil in Malegas Keller geschleppt wurde. Eine Kostprobe legten die Männer jetzt auf die Erde: Rüstungen, römisches Geld, Erzbarren, Stoffe und manches andere. Der Burgschmied freute sich sichtlich: Metall war knapp, seit Bilbilis mit den Gruben den Römern gehörte.
„Der zehnte Teil den Unsterblichen!"
Keri sagte es und hielt Ausschau, wo Rega wohl war. Plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht. Sie stand dicht neben Flaccus. Um Keris Siegesfreude war es geschehen.
„Netos wird mit euch sein", erwiderte der Wächter der Heiligen Eiche von Malega. „Ich werde die Gabe im Hain niederlegen. Es ist gut, daß du die Gottheit ehrst. Ohne ihre Hilfe wäre euch kein Erfolg beschieden."
Der Anführer verneigte sich abermals. Damit war die Zeremonie bereits beendet. Mit einer Geste entließ er seine Männer aus dem Treueverhältnis, das sie während des Kriegszuges eingegangen waren. Alles löste sich in wirren Trubel auf.
Senkin winkte Keri zu sich. „Wer sind diese drei Fremden? Gefangene Römer oder was?"
„Sklaven, die wir unweit von Ocilis auf dem großen Gut befreit haben, von dem damals Eladu erzählte. Nach seiner Beschreibung fanden wir es..." Er berichtete, wie sie zu dieser Beute gekommen waren.
„Ich hole Titus. Wir werden mit ihnen reden", meinte der Ältere. „Bring sie in mein Zimmer!"
Keri drehte sich wortlos um und begab sich zu den Sklaven. Unschlüssig standen die drei im Gewirr der Wiedersehensfreude. Als er zu ihnen trat, lächelten sie; ihn kannten sie ja.
Mit einer Handbewegung bedeutete er ihnen mitzukommen. Zu viert gingen sie die verwinkelte Treppe hinauf in jenes Gemach, in dem damals Titus Flaccus verhört worden war. Seither hatte sich dort nichts verändert.
Auf den Fellen nahmen sie Platz und blickten scheu zu Keri. Keiner von ihnen wußte genau, was nun geschehen würde. Über die Iberer waren nur Gerüchte zu ihnen gedrungen; denn in ihrer Schar hatte es nur wenige Landesbewohner gegeben, und die Sprachschwierigkeiten taten ein Übriges, Barrieren aufzutürmen.
Senkin kam etwas später und wehrte ihre hastigen Worte ab. Er verstand das Lateinische einigermaßen, aber der Kriegerführer sollte alles mit anhören .
Keris Gesicht erhellte sich, als er Rega sah, die den Centurio begleitete. Dann versteinte seine Miene. Beide gingen Hand in Hand! Was bedeutete das?
„Ich begrüße euch in Malega!" Titus wußte anscheinend Bescheid, er übersetzte unverzüglich. Die Erbeuteten schauten einander an, ohne sofort zu antworten. Daß sie sich freuten, einen Sprachkundigen zu treffen, war klar. Immerhin beherrschte jeder ein bißchen Latein - notgedrungen.
„Wer seid ihr? Woher kommt ihr? Was sind eure Absichten?"
Auch das blieb ohne Erwiderung, und Titus wußte auch, warum. Ein Sklave hatte zu schweigen, seine Meinung interessierte niemanden. Kein Wunder, daß sie nichts zu sagen wagten.
„Euch geschieht nichts", fügte er deshalb hinzu. „Habt keine Angst und sprecht."
„Wir gehörten bis jetzt dem edlen Herrn Lentulus”, meinte der Mann leise.
„Lentulus - Cornelius Lentulus?"
„Jawohl, Herr."
Titus dolmetschte, verschwieg aber, daß er die Familie recht gut kannte. Den raffgierigen Cajus Cornelius Lentulus hatte er nie gemocht. Daß sich der in solche Frontnähe wagte? Oder - und das war wahrscheinlicher - jemand handelte in seinem Auftrag. Doch der Kaufmann traute bekanntlich niemandem. Seltsam.
„Ich bin nicht euer Herr", bemerkte Flaccus, da Senkin fürs erste nichts mehr fragte. „Ihr seid von
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