Das Grab des Herkules
die Ecke. Sie standen unmittelbar vor dem Eingang von Yuens Loge. Der eine lehnte neben einer großen Löschschlauchtrommel an der Wand und wirkte unendlich gelangweilt, während der andere seinen Hemdkragen befingerte. Chase wusste genau, wie ihm zumute war.
Er knöpfte die Smokingjacke auf und trat um die Ecke.
Oder vielmehr, er taumelte aus der Deckung hervor. Die beiden Aufpasser strafften sich und musterten ihn wachsam. Beide waren mit Funkgeräten ausgerüstet – von ihren Ohrstöpseln liefen Spiralkabel den Hals hinunter.
»Ha-hallo, Leute!«, lallte Chase. »Könntet ihr mir vielleicht helfen, wär ’ das drin? Hab ’n bisschen zu viel getrunken und die Orientierung verloren. Ich such die Klos, aber die Schilder sind alle chinesisch!«
Einer der Bodyguards deutete mit seinem Wurstfinger auf ein Schild an der Wand. Es war chinesisch und englisch beschriftet, außerdem waren die internationalen Symbole für Männer und Frauen abgebildet.
Chase blinzelte erstaunt. »Oh, das hier ist ja englisch! Verdammter Mist, muss wohl besoffener sein, als ich dachte. Danke, Kumpel.« Er lächelte einfältig.
Die Gorillas grinsten zurück – dann rammte Chase dem ersten Mann die Faust ins Gesicht.
Der kippte bewusstlos nach hinten. Aus seiner zerschmetterten Nase spritzte Blut. Der andere glotzte erst dumm und fummelte dann wie wild an seinem Sakko herum. Er rief etwas auf Chinesisch – da warf Chase sich auf ihn und schleuderte ihn gegen die Wand. Er packte das Sakko und riss den unter dem Revers befestigten Sender ab. Ein Kabel löste sich, als er ihn auf den glänzenden Marmorboden schmetterte. Gleichzeitig versetzte er ihm mit der anderen Faust einen Nierenschlag.
Das Gesicht des Mannes verzerrte sich vor Schmerzen, was ihn jedoch nicht davon abhielt, Chase einen Schwinger auf die Schläfe zu verpassen.
Chase geriet ins Taumeln, diesmal allerdings ohne Vorsatz. Wutentbrannt rammte er die Schulter gegen die Brust des Aufpassers und schleuderte ihn mit solcher Wucht gegen die Wand, dass diesem die Luft aus der Lunge gepresst wurde.
Ehe der Mann wieder Luft bekam, nahm Chase ihn in den Schwitzkasten und zerrte ihn den Gang entlang. Mit einem dröhnenden Knall und einer solchen Kraft donnerte Chase den Kopf des Mannes gegen die rote Schlauchtrommel, dass eine Delle im Metall zurückblieb. Bewusstlos sackte der Aufpasser zusammen.
Chase packte die schwere Messingtülle und wickelte mehrere Meter Gummischlauch ab. Er schwenkte die Tülle um den Kopf seines Opfers, immer schneller und in immer weiterem Radius.
Die Logentür wurde geöffnet – und einer von Yuens Gorillas von der Tülle am Kiefer getroffen. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass der bullige Mann unwillkürlich einen Salto rückwärts vollführte. Blut und Zahnsplitter spritzten durch die Luft.
Im Foyer wurde laut gerufen. Chase blickte sich um. Jemand kam die Treppe hochgerannt; Yuens Bodyguards waren aufmerksam geworden.
Und in der Loge war noch ein weiterer Mann.
Chase senkte den erhobenen Arm und ließ die Schlauchtülle dicht am Boden kreisen. Der zweite Bodyguard sprang über seinen verletzten Kameraden hinweg und zog die Waffe …
Der Schlauch wickelte sich um seine Fußknöchel.
Der Mann stolperte, suchte Halt und verlor kostbare Sekunden: Ehe er seine Waffe ziehen konnte, warf Chase sich bereits gebückt auf ihn, rammte ihn in Hüfthöhe und warf ihn sich auf die Schulter. Ohne sein Tempo zu verlangsamen, stürmte er mit seiner Last in die dunkle Loge, schoss an Yuen und Sophia vorbei, die ihn erschreckt musterten, und warf den Bodyguard über die Logenbrüstung.
Als der Löschschlauch sich mit erschreckender Geschwindigkeit entrollte, stieß der Bodyguard einen schrillen Angstschrei aus …
Als der Schlauch sich schließlich komplett entrollt hatte und wie eine Gitarrensaite zu vibrieren begann, brach der Schrei unvermittelt ab. Chase blickte über die Brüstung. Der Kopf des Bodyguards baumelte wenige Zentimeter über dem Parkett. Die Opernaufführung ging weiter, denn die Sänger und Musiker waren von den Scheinwerfern geblendet und konnten nicht erkennen, was im Publikum vorging – allerdings wurde verärgert gezischelt.
Chase wandte sich um. Sophia musterte ihn bestürzt, während sich in Yuens Miene Verblüffung und wachsender Zorn widerspiegelten.
»Sophia, steh auf«, befahl Chase.
Sie gehorchte.
Mit einer schnellen Bewegung legte er sie sich über die Schulter, dabei fiel ihm auf, dass sie immer noch die
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