Das Grab des Herkules
Seilabsperrung wurden die Eintrittskarten kontrolliert, um sicherzustellen, dass die Privatsphäre der Superreichen, die sich Logenplätze leisten konnten, gewahrt blieb. Hinter der Absperrung standen zwei massige, stiernackige Herren in Smokings. Unter ihren Sakkos zeichneten sich Waffen ab, und Chase nahm an, dass das durchaus so gewollt war. Eine Machtdemonstration.
Er sah zum Haupteingang hinunter – und erblickte die Personen, auf die er gewartet hatte.
Umgeben von vier Männern in Smokings, die zur selben Gang zu gehören schienen wie die Aufpasser im Gang, kam Yuen ins Foyer stolziert, als würde ihm das ganze Opernhaus gehören. Ein Paar Yuppies rückten näher, als hofften sie auf ein persönliches Gespräch, doch die abweisenden Blicke der vier Gorillas hielten sie auf Abstand.
Sophia folgte Yuen mit ein paar Schritten Abstand. Sie trug ein langes Cheongsam aus schimmernder Seide, eine dazu passende Handtasche und schwarz glänzende, grotesk hohe Plateauschuhe mit Riemchen und Pfennigabsätzen. Ihr Haar war in klassischem chinesischem Stil frisiert.
Chase runzelte die Stirn. Das erschwerte die Sache.
Die Gruppe wandte sich zu den Aufzügen am Ende des Foyers. Chase bahnte sich auf der Balkonebene einen Weg durch die Operngäste und steuerte ebenfalls die Aufzüge an.
Eine Aufzugtür öffnete sich, die vier Bodyguards traten heraus und gaben den Weg frei, gefolgt von Yuen und Sophia. Chase trat vor. Einer der Gorillas verstellte ihm den Weg …
»Eddie!«, rief Sophia.
Yuen erstarrte und musterte ihn misstrauisch. »Mr. … Chase, nicht wahr?«, sagte er langsam.
Der Bodyguard trat zurück und machte Chase den Weg frei.
»Das ist ja eine Überraschung.«
»Ich bin ein großer Opernfan«, sagte Chase. »Ich lasse keine der großen Vorstellungen aus.«
Yuens Misstrauen vertiefte sich. »Es ist ein weiter Weg von New York hierher.«
»Ich komme viel herum. Aber es freut mich, dass ich Sie treffe, denn ich möchte mich bei Ihrer Frau entschuldigen.« Er wandte sich an Sophia. »Ich war … neulich ein wenig grob. Das tut mir leid.«
»Danke«, erwiderte sie. »Wir hatten in der Vergangenheit ein paar Probleme, aber ich möchte nicht, dass du noch länger böse auf mich bist.«
»Das bin ich nicht. Ganz und gar nicht. Wo sitzt ihr?«
»Loge Nummer eins«, antwortete Sophia. »Die besten Plätze im ganzen Haus.«
»Ich muss leider mit den billigeren Plätzen vorliebnehmen. Aber vielleicht treffen wir uns ja später.«
»Wir fahren gleich nach der Vorstellung heim«, erklärte Yuen.
»Schade. Dann vielleicht ein andermal?«
»Es wäre wirklich ein großer Zufall, wenn wir uns erneut begegnen würden.« Yuen nickte seinen Leibwächtern zu, die Chase daraufhin abdrängten. »Wir müssen unsere Plätze einnehmen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Mr. Chase.«
»Die Oper geht mir über alles. Ach, übrigens, Sophia … hübsche Schuhe.«
Sie blieb stehen und stellte den rechten Schuh herausfordernd auf die Spitze. »Ja, nicht wahr?«
»Ziemlich hohe Absätze. Wie hoch sind die eigentlich, zwölf Zentimeter?«
Sophia nickte.
»Die sind bestimmt nicht gut für deine Füße. Du solltest sie ausziehen, wenn du Platz genommen hast.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie Orthopäde sind, Mr. Chase«, sagte Yuen schneidend. »Oder doch wohl eher Schuhfetischist?«
»Hey, jedenfalls sind sie praktisch, wenn man an ein hohes Regal rankommen muss.« Chase grinste Yuen an, doch der verzog keine Wimper. »Jedenfalls hab ich mich gefreut, dich wiederzusehen.«
»Ich auch«, erwiderte Sophia leise, als Yuen sie weggeleitete.
Als Chase im Parkett Platz genommen hatte, sah er auf dem Sitzplan im Programmheft nach, wo genau sich Yuens Loge befand. Bis unmittelbar vor Beginn der Vorstellung hatte er sich im Foyer aufgehalten, und währenddessen waren zwei von Yuens Bodyguards die Treppe heruntergekommen; offenbar machten sie sich nichts aus Opern. Wenn er Glück hatte, hielten sich im Augenblick nur zwei Bewacher in Yuens Loge auf.
Dann waren da noch die beiden Gorillas auf dem Gang, doch mit denen würde er schon fertigwerden.
Zwanzig Minuten nach Beginn der Vorstellung hielt Chase den Zeitpunkt für gekommen. Er erhob sich und zwängte sich unter den missbilligenden Blicken seiner Sitznachbarn durch die Sitzreihe, dann betrat er das Foyer und ging die Treppe hoch. Wie er gehofft hatte, waren die Angestellten vom Gang verschwunden.
Blieben noch die beiden bewaffneten Aufpasser.
Chase spähte um
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