Das Grab des Herkules
Gewaltbremsung hinlegten. Der zweite Wagen bog von der ersten Spur ab und prallte mit der Flanke gegen die vorspringende flache Schnauze eines Sattelschleppers. Durch die Kollision wurde er hochgeschleudert und landete auf dem Dach. Glassplitter flogen umher, als die Fahrgastzelle plattgedrückt wurde.
»Einer weniger!«, frohlockte Chase. Im Seitenspiegel sah er, wie der Auflieger des Sattelschleppers sich querstellte und der Laster quer über der Kreuzung zum Stehen kam. Jetzt würde ihnen wenigstens niemand mehr folgen können …
Abgesehen von dem Typen mit dem Motorrad. Der Scheinwerfer bahnte sich einen Weg durch den stehenden Verkehr, dann beschleunigte er wieder.
Da hinter ihnen der Verkehr zum Erliegen gekommen war, hatte Chase auf seiner Straßenseite ein paar hundert Meter weit freie Fahrt. Er fuhr vom Gehsteig hinunter und gab Gas.
Abhängen konnte er den Verfolger nicht. Das bedeutete, er musste ihn ausmanövrieren.
Sie näherten sich der von zwei Gebäuden eingefassten Mündung einer dunklen Seitenstraße, und weil Sophia bereits zu ahnen schien, was er vorhatte, schlang sie ihre Arme unwillkürlich fester um ihn.
Er lenkte so scharf zur Seite, dass der Lenker rüttelte. Das Pedal schrammte über den Straßenbelag, und um ein Haar hätten sie sich aufs Pflaster gelegt.
Chase riss am Lenker. Das Moped schwankte, doch die Zentrifugalkraft richtete es wieder auf. Er kämpfte panisch mit dem Lenker, bemühte sich, das Moped wieder auf geraden Kurs zu bringen, bevor es gegen die Wand prallte.
Der Seitenspiegel stieß gegen das Mauerwerk und wurde abgerissen, wirbelte an ihm vorbei. Das Moped aber verfehlte die Wand um Haaresbreite.
Er hatte die Maschine wieder in der Gewalt. Die Straße wurde gesäumt von älteren Gebäuden, teils Wohnhäuser, teils Gewerbeimmobilien. Die Straße war mit Müll übersät, mit leeren Kartons und Paletten. Stellenweise waren sogar Wäscheleinen quer zur Fahrbahn gespannt.
Von hinten fiel Licht in die Straße, sodass das Moped einen langen Schatten warf. Chase blickte sich um. Der Verfolgerwagen war ebenfalls abgebogen und setzte ihnen nach. Das Motorrad schoss an der Einmündung vorbei; wahrscheinlich wollte der Fahrer an der nächsten Kreuzung abbiegen und ihnen den Weg abschneiden.
Chase gab Vollgas, doch das schwer beladene Moped hatte der Beschleunigung des Wagens nichts entgegenzusetzen. Hinter ihnen heulte der Motor auf …
Sophia schrie auf, als sie gerammt wurden, und auch Chase schnappte unwillkürlich nach Luft. Er bekam das Moped zwar wieder in die Gewalt, doch der Wagen rammte sie erneut, fester als beim ersten Mal. Der Holzkasten sprang auf, die mit Scharnieren befestigte Klappe schepperte.
»Was ist da eigentlich drin?«, rief Chase.
»Was?«
»In dem Kasten! Ist da irgendwas drin?«
Sophia drehte sich herum. »Essen!«
»Wirf es nach hinten!«
Eigentlich rechnete er mit einer Rückfrage, doch sie schleuderte den Inhalt des Kastens bereits kommentarlos wie Papiergranaten auf das Verfolgerfahrzeug. Beutel mit Reis und Nudeln zerplatzten auf dessen Windschutzscheibe und bildeten dort eine klebrige Spur.
Chase stellte befriedigt fest, dass der Wagen tatsächlich zurückfiel. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren und verschmierten die Speisen auf der Windschutzscheibe, doch es würde nicht lange dauern, bis sie wieder sauber war.
Er blickte wieder nach vorn, sah eine quergespannte Wäscheleine, dahinter verengte sich die Straße …
Sophia war die Munition ausgegangen. »Eddie!«
»Halt dich fest!« Als das Moped unter der Leine hindurchschoss, langte er nach oben, riss ein Hemd von den Wäscheklammern ab und warf es über Sophias Kopf hinweg nach hinten. Es landete auf der Windschutzscheibe, pappte an der klebrigen Masse fest und verdeckte dem Fahrer nun komplett die Sicht.
Chase lenkte das Moped nach links, um einem Stapel von Fässern und kaputten Brettern auszuweichen. Der Wagen setzte die Verfolgung fort, der orientierungslose Fahrer übersah jedoch die vorspringende Ecke eines Gebäudes auf der anderen Straßenseite und prallte in voller Fahrt dagegen.
Beide Insassen wurden inmitten eines Schauers von Glassplittern und Blut durch die Windschutzscheibe katapultiert.
»Die hätten sich besser anschnallen sollen!«, sagte Chase, als er am Ende der Straße scharf in südöstlicher Richtung abbog. Er raste zwischen langsam fahrenden Wagen und Bussen her. Beißender Abgasgeruch stieg ihm in die Nase. »Jetzt ist es nicht mehr
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