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Das Grab im Moor

Das Grab im Moor

Titel: Das Grab im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sich ein neuer Schatten. Mit der großen Eiche am Hafen war etwas passiert. An einem ihrer Äste baumelte ein Mensch.
    Nun war Albert der Tischler zu weit gegangen. Die Leute hämmerten an seine Tür, versuchten, in sein Haus zu gelangen.
    ›Das muss aufhören!‹, riefen sie. ›Mach die Tür auf!‹
    ›Bislang haben wir alles hingenommen, aber jetzt hast du einen toten Mann in deinem Fenster!‹
    Albert fühlte sich fiebrig und schwach. Wie hatte das alles so schiefgehen können? Er wollte doch nur dieses eine Mal seinen Bruder besiegen. Und jetzt . . . jetzt war das Böse des Amuletts im Begriff, alles ins Verderben zu ziehen.
    ›Du bist schuld an den Unglücksfällen, die sich ereignen! Dein Fenster hat all das verursacht! Du musst das Modell zerstören!‹
    Albert der Tischler erstarrte.
    Zerstören? Niemals! Niemand durfte das wunderbarste Kunstwerk, das er je erschaffen hatte, anrühren.
    Aber die Menge war unerbittlich. Als immer mehr Menschen nach vorne drängten, wurde der Druck zu groß für die morsche Haustür. Sie flog auf und der Erste im Haus war Alberts Bruder, der Arzt.
    ›Ich war an der Eiche, Bruder. Ich weiß, dass du das Amulett ausgegraben hast!‹
    Albert versuchte, sein Kunstwerk zu schützen. Er versuchte, die Leute aus seiner Werkstatt zu werfen, aber stattdessen wurde er selbst immer weiter von der wütenden Menge zurückgedrängt.
    ›Gib es zu! Du hast das Amulett benutzt!‹, schrie sein Bruder.
    Der Arzt stürzte sich auf Albert, um ihm das Amulett herunterzureißen, aber der Tischler stolperte und warf dabei eine der winzigen Straßenlaternen um. Die Flammen entzündeten ein Hausdach und schon loderte ein Feuer hinter Alberts Rücken auf. Das Stadtviertel neben dem Modell der Kirche brannte!
    Schlagartig wurde allen klar, was das bedeutete.
    Schon hörte man die Schreie in der ganzen Stadt. ›Es brennt! Es brennt!‹ Die Kirchenglocken dröhnten und die Feuerwehr rückte aus. Alle brachen eilig auf, um zu helfen. Niemand kümmerte sich mehr um Albert den Tischler und sein Weihnachtsfenster.
    Es wurde ein langer Kampf, bis die Bewohner Krabbsjögrunds das Feuer unter Kontrolle gebracht hatten. Erst spät am Nachmittag läuteten die Kirchenglocken erneut – dieses Mal, um zu melden, dass die Gefahr vorüber war. Dankbar und froh umarmten sich die Leute. Zwar hatte man einige Gebäude an die Flammen verloren, aber Menschen waren nicht zu Schaden gekommen. Und erst da dachte man wieder an Albert den Tischler und sein Fenster.
    Langsam setzte sich die Menge dorthin in Bewegung.
    Das Haus von Albert dem Tischler sah verlassen aus. Alles war still und leer. Die Haustüre stand offen, aber Albert der Tischler war nirgends zu sehen. Da zeigte jemand auf die Miniatur im Weihnachtsfenster.
    Oder genauer gesagt: Jemand zeigte auf das, was davon übrig geblieben war. Wie ein rußiges Gerippe ragten verkohlte Balken aus der verwüsteten Landschaft. Alles war schwarz. Irgendetwas musste den Zauber gebrochen haben, denn es war ihnen gelungen, das Feuer in der Stadt zu löschen, obwohl das Modell bis auf den Grund heruntergebrannt war.
    Totenstille machte sich breit, als sie nun alle dasselbe entdeckten. Nicht alles war verrußt und niedergebrannt. Ein einziger Baum war übrig geblieben. Am Hügel unten am Hafen. Und an diesem Baum hing – noch immer – ein Mann an einem Strick.
     
    Es war der Arzt der Stadt, der die schreckliche Aufgabe übernehmen musste, seinen eigenen Bruder vom Baum zu schneiden. Er weinte, als er die vernarbten, schwieligen Handwerkerhände des Toten auf dessen Brust legte und ihm die Finger verschränkte. Und er weinte, als Albert der Tischler fortgebracht und irgendwo, weit weg von der Kirche, in einem namenlosen Grab beerdigt wurde, wie man es damals mit Selbstmördern machte.
    Ob Albert die Stadt gerettet hat, indem er sein eigenes Leben opferte, vermag niemand zu sagen. Es weiß auch niemand, was mit dem Amulett geschah. Es heißt, der Arzt habe danach gesucht und gesucht, ohne es je zu finden. Und es heißt, dass manche noch immer danach suchen . . .«
    »Seitdem war es nicht mehr erlaubt, einen Wettbewerb um das schönste Fenster auszurichten«, sagte Mama. »Aber es machen ja trotzdem alle. Auch wenn niemand darüber spricht.«
    Karl wusste, wer Albert der Tischler war. Er war einer von Saras Vorfahren.
    »Meinst du, du kannst jetzt schlafen   …?«
    Mama wuschelte Karl durch die Haare.
    »Ja, natürlich.«
    Da klingelte Mamas Handy.
    Sie stand auf und

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