Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
Horde.
Ryan wusste ein wenig über meine schrillen Schwiegerleute.
Während der Fahrt hatte ich ihm die neuesten Geschichten erzählt. Ich hatte Thanksgiving verpasst und würde dieses Verbrechen an Weihnachten noch verschlimmern, indem ich mit Katy nach Belize zum Tauchen fuhr anstatt nach Chicago, um dort Strümpfe an den Kamin zu hängen. Deshalb wollte ich wenigstens jetzt ein paar Tage mit der Petersons-Sippe verbringen.
»Deine ehemaligen Schwiegerleute?«
»Hm.«
Obwohl wir seit Jahren getrennt lebten, waren mein Ex und ich formaljuristisch noch gar keine Exe. Wir hatten uns nie offiziell scheiden lassen. Doch das würde sich ändern. Vor Kurzem hatte der Mittfünfziger Pete der Mittzwanzigerin Summer einen Diamantring auf den Finger gesteckt. Es versteht sich von selbst, dass Pete den Truthahn in diesem Jahr ebenfalls ausgelassen hatte.
»Macht deine Schwiegermutter Abendessen?«
»Du hast doch eben erst gegessen, Ryan.«
»Du schwärmst doch immer von ihren Kochkünsten.«
»Sie wird das Haus voll haben.«
»Tante Klara und Onkel Juris?«
Im Lauf der Jahre hatte ich Ryan einige Geschichten über Petes beängstigend eng zusammenhaltende und erstaunlich weit verzweigte Familie erzählt. Der jährliche Ausflug an den Strand. Der Eierfärbe- Wettbewerb an Ostern und das weihnachtliche Singen vor den Bären im Brookfield Zoo. Das obligatorische Erscheinen bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Das Telefonnetzwerk, das das nationale Katastrophenwarnsystem wie ein Kinderspielzeug aussehen lässt. Anscheinend erinnerte Ryan sich an die Namen der Hauptfiguren.
Hier ist die Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der darauffolgenden sowjetischen Besatzung der baltischen Staaten beschlossen Petes Großmutter, ihre Söhne und deren Ehefrauen, es sei an der Zeit, sich nach besseren Möglichkeiten umzusehen. Nach der Familiengeschichte gehörten zu der Abreise aus Riga ein überstürzter Aufbruch mitten in der Nacht und eine beängstigende Überfahrt auf einem klapprigen Frachter.
Darauf folgte eine längere Wartezeit in Flüchtlingslagern quer durch die deutschen Lande. Doch die beiden Paare ließen sich von der erzwungenen Untätigkeit nicht abschrecken, sondern nutzten die Zeit, um fruchtbar zu sein und sich zu vermehren. Madara und Vilis brachten Janis hervor, unseren »Pete« also, und seine Schwester Regina. Klara und Juris brachten Emilija und Ludis hervor.
Nach acht langen Jahren sprang schließlich eine lettische Kirche in Chicago in die Bresche. Der Pastor und seine Gemeinde versprachen, die tapfere, kleine Truppe zu unterstützen, und garantierten Beschäftigung, Unterbringung und ein sprachlich geeignetes Netzwerk in der Windy City.
Nach ihrer Ankunft lebte die Familie in einem aufgegebenen Laden. Nicht viel, aber immerhin ein Zuhause.
Indem beide Brüder parallel zwei Jobs nachgingen, schafften sie es nach einer Weile, die Ruine eines Hauses in Elmhurst zu kaufen, eine Vorstadt in direkter Nähe der Fabriken, des Colleges und der lettischen Kirche. Und, vielleicht das Wichtigste, die prächtigen, alten Bäume Elmhursts erinnerten Omamma an ihre verlorene Heimat auf der anderen Seite des großen Teichs.
Das Haus war ein verschachtelter Holzbau mit genug Schlafzimmern für den ganzen bunt zusammengewürfelten Clan.
Doch das ist keine Familie auf die amerikanische Art. In den USA halten wir es eher mit der Kernfamilie, Ward, June, Wally und der Beaver.
Noch ein paar Jahre, und die Brüder wohnten bereits in verschiedenen Häusern. Pete, seine Eltern und seine Schwester blieben bei Omamma und einem Collie namens Oskars in dem großen Haus. Petes Onkel und Tante und seine Cousins zogen in ein kleineres Anwesen nur zwei Blocks entfernt.
Häuser, Autos, Fernseher, College-Rücklagen für die Kinder. Innerhalb eines Jahrzehnts wurden die Petersons-Familien zum fleischgewordenen amerikanischen Traum. Juris arbeitete bis zur Pensionierung in der Kühlschrankfabrik. Vilis wechselte und wurde Mathematiklehrer am Elmhurst College.
Fast ein halbes Jahrhundert nach der transatlantischen Odyssee hat sich einiges verändert. Omamma ist inzwischen tot. Vilis ebenfalls. Petes Mutter, die man jetzt die Vecamamma nennt, ist die herrschende Patriarchin. Ehepartner kamen hinzu, und neue Cousins und Cousinen teilen sich nun die Piroggen. Obwohl sich die Bande durch Heiraten und Geburten vervielfacht haben, sind sie noch immer aus demselben Altwelt-Stahl geschmiedet.
»Wie ist das eigentlich?«, fragte
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