Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
der Schneepflüge auf, die Übernachtparkern eine dreifache Warnung zuriefen.
Tröt! Tröt! Tröt!
Déplacez votre voiture! Bewegen Sie Ihr Auto! Bewegen Sie Ihren Arsch!
Obwohl die Medien meldeten, dass die meisten Hauptstraßen geräumt waren, sah ich durch ein Seitenfenster, dass mein Block noch immer aussah wie eine Postkarte aus Finnland. Ich wusste, dass sich in den Nebenstraßen und Gassen überall in der Stadt dieselben Szenen abspielten. Schaufeln wurden geschwungen, und diejenigen, die vergessen hatten, ihre Autos umzuparken, konnten das erst tun, nachdem sie sie von den weißen Massen befreit hatten. In den Notaufnahmen der Krankenhäuser herrschte Hochbetrieb.
Da ich wusste, dass der Verkehr brutal sein und Parken bedeuten würde, rückwärts in hüfthohe Schneewände hineinzustoßen, entschied ich mich für die Öffentlichen. Heute machte sich mein Nanook-Rucksack bezahlt. Ich stand Schulter an Achselhöhle mit Pendlern, die nach Schweiß und feuchter Wolle rochen.
Am Édifice Wilfrid-Derome versteckten kleine, weiße Berge die Zäune, die die Parkplätze umgaben. Autos verstopften jeden Quadratmillimeter geräumten Asphalts. Diejenigen, die andere blockierten, hatten Hinweiszettel unter ihren Scheibenwischern. Höflichkeit? Oder Ausreden, um früher gehen zu können?
Oben im LSJML ging alles seinen gewohnten Gang. Außer in der rechtsmedizinischen Abteilung. Dort ging nichts mehr seinen gewohnten Gang, seit LaManche an einem strahlenden Freitag im September seine Bombe hatte platzen lassen.
Verstopfte Koronargefäße. Im Oktober dann die Bypass-Operation. Krankgeschrieben bis zum neuen Jahr.
Neben mir und LaManche waren an diesem Tag drei andere Pathologen anwesend gewesen. Michael Morin. Natalie Ayers. Emily Santangelo. Und Marc Bergeron ebenfalls, der konsultierende Odontologe unseres Instituts. Wir hatten alle nur sprachlos dagesessen.
Sicherlich, vor ein paar Jahren hatte unser Chef schon einmal eine knifflige Situation durchlitten. Aber er hatte sich sehr schnell wieder erholt. Und kam wieder jeden Morgen als Erster und machte am Abend das Licht aus. Ein Dreifach-Bypass war etwas für zerbrechliche, alte Männer. LaManche war erst achtundfünfzig.
Ich kann mich noch gut an LaManches leidenden Hundeblick erinnern. Und wie ich meine Augen niederschlug. Und zum Fenster hinausschaute. Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich. Der Tag ist zu wunderschön. Irrational, aber genau das dachte ich.
In der folgenden Woche schnitt LaManche das Thema eines zeitweiligen Ersatzes an. Die Entscheidung fiel schnell und einmütig. Unsere Abteilung war ein quasi kongeniales Team. Es würde kein Ersatzmann von außen kommen. Bis der Chef zurückkam, würden die Pathologen sich in Übereinstimmung die Fälle gegenseitig zuweisen und Verwaltungsentscheidungen treffen. Die zusätzliche Arbeit würde man sich gleichberechtigt teilen.
Und so funktionierte es nach drei Monaten immer noch.
In gewisser Weise.
Nachdem ich meine beträchtliche Außenbekleidung abgelegt hatte, zog ich einen Labormantel über und ging zum Personalraum. Am Ausgang unseres Flügels, wo der Gang eine Kurve macht, kam ich an einer verschlossenen Tür vorbei. Die Jalousien erlaubten einen schnellen Blick auf einen leeren Tisch.
Neben dem dunklen Büro verkündete eine abwischbare Anschlagtafel die Aufenthaltsorte des Personals. Congé de maladie stand in dem Kästchen neben LaManches Namen. Fehlen wegen Krankheit.
Ein Bleigewicht legte sich auf meine Brust.
Die Operation ist gut verlaufen. Er kommt wieder ganz in Ordnung. Dennoch ließen mich das stille Büro und die Magic-Marker-Notiz erschaudern.
LaManche war immer für mich da gewesen, eine Stimme der Weisheit und der Vernunft. Des Mitleids und der richtigen Perspektive, die er sich in Jahrzehnten der Arbeit mit den Toten und den trauernden Hinterbliebenen erworben hatte. Diese Stimme schwieg jetzt wegen ein paar verstopfter Gefäße.
LaManche ist nicht alt. Aufgewühlt zog ich meine Karte über den Scanner, verfehlte ihn, zog sie noch einmal darüber. Die Glasflügel gingen zischend auf. Es ist nicht fair.
Das Leben ist nicht fair. Der Standardspruch meiner Oma kam mir wieder in den Sinn.
Vergiss das launische Schicksal. Ich konnte mir das LSJML ohne LaManche nicht vorstellen. Wollte es auch nicht.
Obwohl der Personalraum verlassen war, sagten mir Pfützen auf dem Boden, dass andere bereits hier gewesen waren. Ich warf ein paar Münzen in eine Spendenbüchse und goss mir
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