Das Grab ist erst der Anfang: 12. Fall mit Tempe Brennan
örtlicher Farmer. Alte Milch- und Limoflaschen. Kuhglocken. Käsetröge. Alte Werkzeuge.
Während Otto und Claudel herumgingen, schaute ich mir die Kunstwerke genauer an. Keisers Initialen zierten jede Arbeit.
In einer vom Feuer verschonten Ecke im hinteren Teil des Hauptraums fand ich ihre Staffelei und die Malutensilien. Die Techniker waren bei ihrer Durchsuchung sehr respektvoll vorgegangen. Und weitsichtig. Die aufrecht stehenden Pinsel bildeten in ihren Halterungen noch immer perfekte Kreise. Die Farbtuben lagen noch immer präzise parallel zueinander. Die unbenutzten Leinwände lehnten der Größe nach abgestuft an einer Wand.
Hinter der Staffelei stand ein kleines hölzernes Sideboard, das mit einem handgewebten Afghanen bedeckt war. Ich hob eine Ecke an.
Das Sideboard hatte eine breite Schublade oben und zwei Türen darunter. Die Messingbeschläge waren angelaufen und verbeult. Das Holz war zu stark lackiert, verschrammt und gesplittert, als wäre das Stück einmal gewaltsam geöffnet worden. Das Möbel sah alt aus.
Okay, ich gebe es zu. Ab und zu bleibe ich im Fernsehen bei einer Ausgabe der Antiques Roadshow hängen.
Nur mäßig neugierig, benutzte ich einen Kugelschreiber, um einen Türflügel zu öffnen. Das Fach dahinter war leer.
Ich ging ins Bad.
Und erstarrte.
Aufgeputscht eilte ich in die Schlafempore hoch und zog einen Vorhang beiseite, der einen behelfsmäßigen Schrank bildete. Ein Dutzend Kleidungstücke hingen an einer Stange, die mit verdrehten Drahtkleiderbügeln an der Decke befestigt war.
»Ich habe hier was«, rief ich nach unten. Sechs Füße polterten die Treppe hoch.
31
»Hier war noch jemand.«
Sechs verwirrte Augen starrten mir ins Gesicht. Ich wandte mich direkt an Otto.
»Ihre Mutter hatte alle ihre Habseligkeiten präzise geordnet und sortiert. Im Wandschrank ihrer Wohnung hängen alle Kleidungsstücke exakt in einem Abstand von fünf Zentimetern nebeneinander, sodass die ganze Länge der Stange ausgenutzt wird. Auf ihrer Kommode, auf dem Kaminsims, auf den Bücherregalen sind alle Objekte im gleichen Abstand zum jeweiligen Nachbarn positioniert, und jeder Quadratzentimeter der Oberfläche wird genutzt.«
Otto nickte langsam, ein Stirnrunzeln zog seine Brauen zusammen. »Stimmt wohl. Sie hat sich immer aufgeregt, wenn wir Sachen verrutscht haben.«
»Die Bilder Ihrer Mutter sind Studien in Symmetrie. Alles ist harmonisch, im Gleichgewicht.«
»Worauf wollen Sie hinaus?« Auch Claudel runzelte die Stirn. Ich deutete auf den behelfsmäßigen Kleiderschrank.
Die Männer schauten die auf einer Seite zusammengeschobenen Kleidungsstücke an.
Claudel wollte etwas sagen. Ich schnitt ihm das Wort ab. »Kommen Sie mit.«
Im Bad waren Keisers Toilettenartikel ebenfalls auf einer Hälfte der Ablage neben dem Waschbecken zusammengeschoben. Die andere Hälfte war leer.
Claudel blies die Luft durch spitze Lippen aus, wie er es so gerne tat.
»Ich vermute, Mrs. Keiser litt an einer obsessiv-kompulsiven Störung. Zu ihren Zwangsvorstellungen gehörte, dass Gegenstände räumlich geordnet sein müssen. Wenn das tatsächlich so war, dann wäre es ihr unmöglich gewesen, dieses Muster zu durchbrechen.«
»Sie wollen damit sagen, dass jemand Moms Sachen beiseite geschoben hat, um Platz für seine eigenen zu schaffen?«
»Ja.«
»Die Spurensicherung und das Brandstiftungsteam haben die Hütte auseinander genommen.« Claudel. »Wahrscheinlich haben sie die Sachen verrutscht.«
»Das glaube ich nicht.« Ich erwähnte die Malutensilien. »Aber das kann man sehr leicht anhand der Tatortfotos nachprüfen.« Claudel kniff die Lippen zusammen.
»Angeblich wusste nur eine Person von dieser Hütte«, sagte Ryan.
»Lu Castiglioni«, sagte ich. »Wer?«, fragte Otto.
»Der Hausmeister im Wohnblock Ihrer Mutter.«
»Was ist mit Myron Pinsker?«
Gute Frage, Otto.
Mein Blick wanderte zur Staffelei. Den Farben. Dem Sideboard.
Ein plötzlicher Einfall.
»Otto, als Sie noch klein waren, wo bewahrte Ihre Mutter zu Hause ihr Geld auf?«
»Ein paar Dollar in ihrer Brieftasche. Vielleicht eine kleine Haushaltskasse. Aber das war nie viel.«
»Hat sie je darüber gesprochen, ihr Geld von der Bank zu holen? Oder sich Sorgen gemacht um die Sicherheit ihrer Konten?«
»Mom ist in den Dreißigern geboren, sie hatte diese Depressionsmentalität. Sie hatte eine Heidenangst vor Banken.«
»Hat sie je etwas unternommen auf Grund dieser Ängste?«
»Ja, das hat sie tatsächlich. Als der Markt
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