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Das Grab - Roman

Das Grab - Roman

Titel: Das Grab - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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mitten in der Halle des Gemeindezentrums.
    Das Scheppern einer gegen die Wand krachenden Tür hallte durch den leeren Saal.
    Er kommt!
    Sie sah ihn.
    Melvin. Er näherte sich Vicki aus der hintersten Ecke und schob einen Rollstuhl. In dem Rollstuhl saß Darlene. Sie hätte eigentlich ihr Cheerleader-Outfit tragen müssen. Stattdessen trug sie Vickis weißes Nachthemd.
    Dahin ist es also verschwunden.
    Ich muss es wegwerfen , dachte Vicki. Ich werde es bestimmt nicht mehr tragen, nachdem eine Tote darin steckte .
    Darlene sah sehr tot aus. Grau und welk. Noch schlimmer als damals.
    Das ist ein Traum , begriff sie plötzlich. Es ist nicht real .
    Allerdings kam es ihr sehr real vor, und Vicki fragte sich, ob sie nur glaubte zu träumen.
    Sie fing wieder an, die Knoten aufzubeißen und bekam einen weiteren auf, während Melvin den Rollstuhl näher schob. Doch darunter war ein weiterer Knoten.
    Melvin kam immer näher. Wollte er sie rammen?
    Acht oder zehn Schritte vor ihr blieb er stehen.
    Die weißen Bandagen um Darlenes Hals schienen aus demselben Stoff wie das Nachthemd zu sein. Durch die hauchdünnen Lagen konnte Vicki einen klaffenden, blutlosen Schnitt quer über den Hals des Mädchens sehen.
    Wach jetzt auf. Mach schon .
    »Du siehst hübsch aus heute Abend«, sagte Melvin, neigte den Kopf und nickte.
    »Hör auf. Verschwinde.«
    »Hast du dich für mich aufgespart?«
    »Nein.« Sie merkte, dass sie wieder wimmerte. »Lass mich in Ruhe. Bitte. Geh einfach weg.«
    »Sei mein, Liebste, und ich schenke dir ewiges Leben.«
    »Nein.«
    »Das würde dir gefallen, oder? Ewig zu leben?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sieh dir Darlene an. Schau dem Tod ins Gesicht.«
    Darlenes linkes Augenlid schien anzuschwellen, schob sich ein Stückchen hoch, und ein weißer Wurm kroch
    heraus hervor.
    Wach endlich auf, verdammt!
    »Glaubst du etwa nicht, dass ich dir ewiges Leben schenken kann?«
    »Nein.«
    Melvin hob grinsend die schwarzen Gummigriffe des Überbrückungskabels in die Höhe. »Schau mal!« Er beugte sich vor und schwang die Kabel über Darlenes Schultern nach vorn. Die Klammern öffneten sich wie Raubtierkiefer. Sie schnappten über Darlenes Brustwarzen zu. Vicki hörte ein knisterndes Summen. Das Mädchen zuckte und zappelte. Weißer Rauch stieg aus ihrem Mund. Blut quoll um die Zähne der Klammern herum aus ihren Brustwarzen und tränkte das Nachthemd. Blut sickerte in die Bandagen um ihren Hals. Ihre Lider hoben sich. Sie hatte Augen, keine leeren Höhlen, und der Wurm auf ihrer Wange war verschwunden. Sie blies eine Rauchwolke aus. Lächelnd löste sie die Klammern und warf die Kabel über ihre Schultern nach hinten, wo Melvin sie auffing.
    Darlene erhob sich von dem Stuhl. Sie machte ein paar Schritte auf Vicki zu. Dann richtete sie sich mit einem Ruck kerzengerade auf und stemmte die Fäuste in die Hüften.
    »Glaubst du noch immer, dass ich es nicht kann?«, fragte Melvin.
    Darlene klatschte in die Hände.
    Klatsch – klatsch – klatsch – klatsch .
    Sie stieß eine Faust in die Luft.
    »WIR HABEN SCHWUNG!«
    Ihre andere Faust schoss hoch.
    »WIR HABEN DAMPF!«
    Sie tanzte und wirbelte herum.
    »FÜR MELVINS MANNSCHAFT IN DEN KAMPF!«
    Bei »KAMPF« sprang sie hoch, warf den Kopf in den Nacken und schleuderte die Arme in die Höhe. Vicki hörte ein reißendes Geräusch. Darlenes Kopf kippte weiter und weiter nach hinten, die Bandage riss, ihr Hals klaffte wie ein aufgerissener Mund. Ihr Kopf verschwand. Er kam hinter ihren wirbelnden Beinen wieder zum Vorschein, als er dumpf auf dem Boden aufschlug. Sie landete mit ihrem rechten Fuß auf ihrem Gesicht, verlor das Gleichgewicht und taumelte rückwärts. Als sie in den Rollstuhl plumpste, rollte ihr Kopf auf Vicki zu.
    »NEIN!«
    Melvin lachte.
    Der Kopf rollte näher und näher.
    Sein Mund schloss sich um Vickis großen Zeh und begann zu saugen.
    Schreiend fuhr sie hoch.
    Das Zimmer war von Sonnenlicht erfüllt.

Kapitel Fünf
    Melvin sah auf, als Scheinwerfer über die Fenster seines Büros schwenkten. Sie gehörten einem Duster, der am Selbstbedienungsbereich stoppte.
    Jemand saß auf dem Beifahrersitz.
    Melvin spähte durchs Fenster. Sah aus wie ein Mädchen, aber er war sich nicht sicher.
    Er hatte auf ein Mädchen gewartet. Er brauchte eins. Sein Herz schlug heftiger.
    Er klappte sein Penthouse zu und schob es in die Schreibtischschublade.
    Der Fahrer stieg aus und ging um das Heck seines Wagens herum zur Zapfsäule für Bleifrei. Es war ein großer, hagerer

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