Das Grab - Roman
rührte mit einem Finger die Eiswürfel um und lächelte in ihren Drink. »Erinnerst du dich an das schwarze Tanga-Höschen, das ich mir schicken habe lassen?«
»Du wolltest für mich auch eines bestellen.«
»Genau das, ja. Am Tag nach meinem Zusammenstoß mit Dexter hab ich es zusammen mit ein paar Zeilen an seine Privatadresse geschickt. Sie lauteten: ›Lieber Dex, behalte dies als Andenken unserer Leidenschaft. Alles Liebe und tausend Küsse, Dein Zuckerschneckchen.‹«
»Das hast du nicht.«
»Wetten? Und ich hab mit eigenen Augen gesehen, wie Minnie am nächsten Morgen den Umschlag aus dem Briefkasten geholt hat.«
»Wie gemein.«
»Er kann von Glück reden, dass das alles war«, erwiderte Ace, und ihre belustigte Miene bekam für einen kurzen Augenblick Risse und ließ die Bitterkeit dahinter erkennen. Dann grinste sie wieder. »Der kleine Drecksack hat mich seitdem nie wieder belästigt.«
Ich sollte auch etwas in der Art tun, dachte Vicki, als sie um eine Ecke trabte und Richtung Center Street lief. Ihn glauben lassen, dass ich verrückt bin, damit er mich in Ruhe lässt.
Oder drohen, ihm Ace auf den Hals zu hetzen, falls er mir weiter Ärger macht.
Besser ausziehen und eine neue Wohnung finden.
Erst mal sehen, wie die nächsten Wochen laufen.
Aus den Fenstern der Bäckerei einen Block weiter fiel Licht auf den Bürgersteig. Bei ihren bisherigen Joggingausflügen war sie immer daran vorbeigelaufen. Sie wusste, dass die Bäckerei der einzige Laden war, der um diese Zeit geöffnet hatte. Obwohl sie die Doughnuts von hier nicht riechen konnte, erinnerte sie sich an den köstlichen Duft und daran, wie ihr das Wasser im Mund zusammengelaufen war, als sie vorbeilief.
Es war reine Folter, durch diese süßen Gerüche hindurchzulaufen, ohne anzuhalten.
Sie entschied, diese spezielle Qual am heutigen Morgen zu meiden, drehte den Geschäften der Stadt den Rücken zu und lief nach Norden.
Sie joggte an weiteren dunklen Fenstern vorbei, bog ab und rannte durch das Gras des Stadtparks, der sich am Ufer des Flusses entlangzog. Ein leichter Nebel hing über dem Wasser. Weit draußen sah sie ein paar Boote, darin die reglosen Silhouetten von Anglern. Irgendwo keckerte ein Eistaucher. Sie hörte das ferne Tuckern eines Außenborders, konnte das Boot jedoch nirgendwo entdecken. Es war vermutlich irgendwo draußen hinter Skeeter Island.
Der Park neigte sich in einem sanften Hang zum öffentlichen Strandbad und Spielplatz hinab. Sie verkürzte ihre Schritte, denn das taunasse Gras war schlüpfrig, und hatte den Hang fast schon hinter sich, als sie mit dem rechten Fuß ausrutschte. Keuchend sah sie ihre Beine durch die Luft fliegen. Sie landete auf dem Hintern, krachte auf den Rücken und bohrte, um ihre Rutschpartie zu stoppen, die Absätze ins Gras.
Na prima, dachte sie.
Sie kannte diese seltsame Enge in der Kehle von den anderen Malen (nicht viele und meist lange her), die sie auf den Hintern gefallen war – das Gefühl, gleichzeitig lachen und weinen zu wollen. Es verging nach ein paar Sekunden. Vicki wollte aufstehen, blieb jedoch nach Luft ringend liegen. Sie spürte den kühlen Tau durch ihre Shorts und ihr Höschen. Die Rutschpartie hatte ihr T-Shirt hinten bis zu den Schultern hochgeschoben. Das Gras juckte auf ihrer nackten Haut, und es war dieser Juckreiz, der sie schließlich dazu brachte, sich aufzusetzen.
Sie griff mit beiden Händen nach hinten und kratzte sich. Sie war leicht allergisch gegen Gras. Das Jucken würde sie wahrscheinlich quälen, bis sie zu Hause war und duschte.
Der Rücken ihres T-Shirts war durchnässt. Sie musste es von ihrer Haut schälen, um es runterziehen zu können. Sie stand auf, kratzte sich weiter und ging zum Ufer hinunter.
Der Himmel im Osten war jetzt heller. Bald würden die ersten Sonnenstrahlen durch die Bäume am anderen Ufer brechen.
Sie erinnerte sich an den Morgen, an dem sie mit Paul den Sonnenaufgang betrachtet hatte. Das war nur eine Woche vor seinem Umzug gewesen. Sie hatten sich beide spät in der Nacht aus ihren Häusern geschlichen, sich getroffen und waren stundenlang durch die Wälder nördlich der Stadt gestreift, während sie sich bei den Händen hielten und leise redeten. Es war eine traurige, bittersüße Nacht. Lange vor der Dämmerung landeten sie hier am Strand. Sie saßen eine Weile auf den Schaukeln, dann stiegen sie auf die Rutsche und saßen, in Schweigen versunken dort oben, wobei er seine Arme eng um sie geschlungen hatte. Dann
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