Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
für Dora Rutke. Währenddessen hatten die beiden Frauen ihre Unterhaltung unterbrochen.
Herr Schweitzer indes fragte sich, von wem hier die Rede war. Sebastian deWitte schied ja wohl aus. Das hätten die Bullen doch wissen müssen, wenn Sebastian mit dieser Elke verheiratet wäre. Oder? Andererseits, einen Urlaub verschieben, weil man gerade als Mörder gesucht wurde, klingt allerdings auch ziemlich logisch.
„Na ja“, druckste Elke ein wenig herum, „aber Tunesien wäre auch schön gewesen. Dass auch ausgerechnet jetzt der neue Großkunde auftaucht. Und Klaus sagt, wenn er sich nicht sofort darum kümmere, landet der bei der Konkurrenz. So geht das jetzt schon über ein Jahr, Schwesterherz. Immer ist irgendwas, was keine Zeit bis später hat.“
Dora: „So ist das nun mal am Anfang, wenn man eine Firma gründet. Irgendwann, wenn sich alles eingespielt hat, geht das Leben auch wieder seinen normalen Gang. Glaub mir, Schwesterchen, da müsst ihr jetzt beide durch. Ihr schafft das schon.“ Sie tätschelte ihrer Schwester die Wange.
Und Herr Schweitzer hatte komplett das Interesse an der Konversation verloren. Zumindest was deren Inhalt betraf. Andere Menschen, andere Sorgen. Was ihn aber grübeln ließ, war Dora Rutke, die ganz und gar nicht dem Bild entsprach, das Schmidt-Schmitt von ihr gezeichnet und er selbst in der Druckkammermiterlebt hatte. Sie machte nicht den Eindruck einer Drogenkonsumentin. Im Gegenteil, sie nahm Anteil am Leben anderer Menschen und war nicht im Geringsten auf sich selbst fixiert. Jetzt, da er darüber nachdachte, kam es Herrn Schweitzer gar nicht mal so abwegig vor. Man stelle sich bloß vor, all die jungen Leute, die regelmäßig in ihrer Freizeit ausflippten, würden ihr Leben nicht geregelt kriegen. Außerdem, früher waren wir auch nicht anders, dachte Herr Schweitzer, auch wenn es ihm gar arg schwerfiel, sich in die damalige Zeit zurückzuversetzen. Nacht für Nacht mit weniger als fünf Stunden Schlaf auszukommen – wie habe ich das nur geschafft?
Nach einer Viertelstunde zahlten sie und standen auf. Herr Schweitzer ebenfalls. Hier musste gehandelt werden. Auf dem Felde der Observation fühlte er sich heimisch. Außerdem war ja noch ein heimtückischer Mörder flüchtig. Er war von dem Gedanken berauscht, diesen vielleicht schon in Bälde aufzuspüren. Und ob die Witzfigur von Bulle dort drüben auf dem Mäuerchen dazu in der Lage wäre, das wagte er zu bezweifeln. Trotzdem wartete er ab, bis dieser sich an die Fersen der Frauen heftete. Sonst merkte der noch, dass auch er hinter Dora her war.
Es war schon ein recht seltsames Quartett, welches sich die Brückenstraße südwärts bewegte. Erst die beiden Frauen und dann, in jeweils zehn Metern Abstand, zwei Schatten, wobei zweiter zwar vom ersten, erster aber nicht vom zweiten wusste. Dem Augenschein nach könnte der Südbahnhof das Ziel sein.
So war es dann auch. Man ging nach oben, wo die S-Bahnen fuhren. Herrn Schweitzer fiel ein, dass er ja gar keinen Fahrschein hatte. Wie der Bulle das wohl handhaben würde? Einem Kontrolleur einfach den Polizeiausweis unter die Nase halten? Und was würde er, Herr Schweitzer, für eine Ausrede auftischen können? Bin gerade am Mörderfangen, hab’s eilig, das verstehen Sie ja wohl mit Ihrem Spatzenhirn! Oder lieber gleich die 40 Euro blechen?
Doch dazu kam es nicht. Als nämlich die S2 nach Niedernhausen einfuhr, gab Dora ihrer Schwester einen Kuss, bevor dieseeinstieg, und blieb allein zurück. Schatten 1 zögerte. Schatten 2 auch. Kurz bevor sich die Türen schlossen, schob sich der Jung-Bulle noch gerade so in den Waggon. Herr Schweitzer blieb mit Dora auf dem Bahnsteig zurück.
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, dachte er,
hätte ich als Bulle auch so gemacht
. Dieser hatte das Gespräch im Café ja nicht mitbekommen und musste zwangsläufig in der Hoffnung schwelgen, diese Elke könne ihn zu Sebastian führen. Zumal Doras Beschattung bislang zu rein gar nichts geführt hatte, soweit ihm bekannt war.
Dora winkte ihrer Schwester hinterher, bevor sie sich zur Rolltreppe begab. Sie nahm den Ausgang zur Mörfelder Landstraße und hielt sich dann links. Herr Schweitzer folgte unauffällig. Es hätte auch auffällig sein dürfen, denn Dora Rutke drehte sich kein einziges Mal um. Selbst der Nackte Jörg auf ihren Fersen wäre von ihr unbemerkt geblieben. Am Wendelsplatz querte sie die Kreuzung und bog in den Hainer Weg ein. Nanu, dachte Herr Schweitzer, wohin uns unsere Schritte wohl lenken? Hoffentlich nicht
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