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Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)

Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)

Titel: Das Grauen im Bembelparadies (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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noch, wie man sich als Deutscher Meister freut. Neugeborene haben vielleicht noch eine Chance, sollten sie die neunzig erreichen.)
    Eine Blaskapelle packte gerade ihre Sachen zusammen. Komisch, dachte Herr Schweitzer, ich hab doch gestern die Rundschau gelesen; wieso also ist mir diese Veranstaltung durch die Lappen gegangen? Als Sachsenhäuser durch und durch wäre er gerne dabei gewesen.
    Als Adam ihn sah, nickte er kurz mit dem Kopf zum Zeichen, dass man gleich babbeln könne. Denn erst war das Kamerateam an der Reihe.
    „Ei Gude wie“, begrüßte ihn Adam fünf Minuten später. Und fügte nach Rodgau Monotones-Art hinzu: „Wo machst’en hie?“
    „Bin auf dem Rückweg. Da dachte ich, guck doch mal im Bembelparadies vorbei. Vielleicht gibt’s was Neues im Fall der halbverbrannten Leiche.“
    „Nö, nicht dass ich wüsste. Aber guck dir mal unseren Bembel an. Ist der nicht geil? Wiegt 270 Kilo und fasst 690 Liter.“
    „690 Liter?“ Herr Schweitzer war mächtig beeindruckt: „Wow.“ Sein innerer Taschenrechner signalisierte ihm, aufs Jahr hochgerechnet könne man sich da täglich aber ganz schön einen hinter die Binde gießen. „Und wer ist der Mann neben der Moni?“
    „Das ist der Andy. Der ist auch Töpfer und hat unser Schmuckstück zusammen mit der Moni geplant und fertiggestellt. Du glaubst gar nicht, was für eine Logistik dahintersteckt. Einen Brennofen für einen eins siebzig hohen Bembel gibt’s nämlich gar nicht. Das Bemalen war noch das Einfachste. Andy macht seine Bembel in Höhr-Grenzhausen und exportiert sie dann nach Hessen.“
    Herr Schweitzer: „Höhr-Grenzhausen. Nie gehört.“
    „Kannenbäckerland, Westerwald, Rheinland-Pfalz“, schloss Adam die Bildungslücke.
    „Rheinland-Pfalz? Hab ich da richtig gehört? Heißt das, die Bembel für die hessischen Ebbelwoi-Kneipen kommen gar nicht aus Hessen?“
    „Nicht alle. Höhr-Grenzhausen jedenfalls ist ein Zentrum der keramischen Industrie. Die habbe sogar ’ne Fachhochschule.“
    Herr Schweitzer nickte mit dem Kopf. „Was es nicht alles gibt. Da hab ich immer geglaubt, nur Hessen können Bembel machen, und dann so was. Aber heutzutage wird ja alles outgesourct. Demnächst kommt unser Handkäs womöglich aus Madagaskar. Wo kommt der Riesen-Bembel eigentlich hin?“
    „Ins Ebbelwoi-Museum.“
    „Hä?“
    „Schon gut, Simon. Und nein, du hast nix verpasst. Das Ebbelwoi-Museum gibt’s noch nicht. Ist aber in Planung. Wenn’s nach uns geht, hätten wir gerne eine Location in der Frankfurter Altstadt. Die Gespräche mit dem Magistrat dauern an. Bisher ist aber noch nix spruchreif. Zwischen Dom und Römer wäre optimal. Und was machen die Recherchen? Habt ihr schon was rausgefunden? Du kennst das ja, in Sachsenhausen wird dermaßen viel gebabbelt, dass man gar nicht mehr weiß, was man glauben soll und was nicht.“
    Und ob Herr Schweitzer das kannte. Er selbst hatte es sich angewöhnt, Gerüchten erst einmal so lange zu misstrauen, bis sie sich als wahr herausstellten, was aber höchst selten der Fall war. Meist babbelten die Einheimischen aus purer Langeweile und erfanden dabei allerlei Unsinn. Aus einem platten Autoreifen konnte ganz fix eine Horde Messer schwingender Vandalen – „Fahr dein Auto lieber in die Garage, bis man die Bande dingfest gemacht hat“ – und aus einer toten Ratte im Rinnstein frisch ausgebrochene Tollwut werden – „Besser, wenn du deinen Goldhamster die nächsten Wochen nicht rauslässt, ein tollwütiges Krokodil ist gerade auf der Pirsch“. Herr Schweitzer horchte meist nur zu und beteiligte sich nur selten am Volkssport Dummgebabbel. Erst wenn man zwei und zwei zusammenzählen konnte und sich tatsächlich vier ergab, spitzte er die Ohren. Eine Ausnahme bildeten hier die Ebbelwoi-Wirte und -Kellner, bei denen so viele Informationsstränge zusammenliefen, dass sie von sich aus schon in der Lage waren, alle Informationen zu sondieren und zu bündeln, so dass wenigstens ab und an ein Treffer in puncto Wahrheit heraussprang. Was aber mitnichten bedeutet, dass sie auch so exakt weitergetragen wurde. Denn mit jedem Glas Ebbelwoi stieg die Bereitschaft des Ausschmückens im Groben und en détail.
    Herr Schweitzer mit resignierender Handbewegung: „Ja, daskenne ich. Aber so langsam glaube ich, der Fall bleibt auf ewig ungelöst. Viele Ansätze, viele Spuren, aber nichts führt konkret irgendwohin.“
    „Das hört sich aber gar nicht gut an. Die Leute hören doch erst auf zu quatschen, wenn die

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