Das Grauen lauert in der Tiefe
geschossen. Er hatte plötzlich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
»Weil du nicht der Sohn von Dr. Spencer bist«, stellte Tom in sachlichem Tonfall fest.
»So, so«, sagte Max und verwendete eine Taktik, die er sich von seiner Mutter abgeschaut hatte, nämlich schnippisch und ironisch zu reagieren, wenn man in die Enge getrieben wurde. »Wer soll ich denn sonst sein? Etwa der Sohn von Queen Victoria?«
Aber Tom ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich weiß nicht, wer du bist«, entgegnete er. »Allerdings glaube ich nicht, dass du mit Mr Nin und den Unruhestiftern unter einer Decke steckst.«
»Was wollen diese Leute überhaupt?« Max war sich mittlerweile nicht mehr sicher, ob Tom ihn mit der Einladung in sein Baumhaus nicht vielleicht in eine Falle gelockt hatte.
»Die Unruhestifter wollen alles kaputt machen«, erklärte Tom ernst. »Es sind die Feinde von unserem Bürgermeister Crimer. Wenn er sie erwischt, lässt er sie von Mr Kolschok im Justizpalast einsperren. Und dort geht es ihnen schlecht. In der ganzen Stadt wird seit Wochen über nichts anderes mehr geredet.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, was meine Familie mit dieser Geschichte zu tun haben soll«, erwiderte Max, konnte dabei jedoch nicht verhindern, dass seine Stimme vor Aufregung zitterte. »Wir sind Ehrengäste des Bürgermeisters. Er hat uns persönlich in seinem Automobil hierherchauffiert. Und die Militärkapelle hat zu unserer Begrüßung gespielt.«
Tom schmunzelte. »Wenn du das Getöse der Militärkapelle überlebt hast, sollte ich mich natürlich vor dir in Acht nehmen«, sagte er. »Dann bist du offenbar eine ganz harte Nuss.« Er fixierte Max mit starrem Blick. Doch plötzlich grinste er und die vielen Sommersprossen in seinem Gesicht schienen hin und her zu tanzen.
Max musste nun ebenfalls lachen und alle Anspannung fiel mit einem Mal von ihm ab. Die Jungen fühlten, dass sie gerade dabei waren, Freunde zu werden.
»Na schön«, sagte Max schließlich. »Ich schätze, dass du keine Petze bist, denn sonst hättest du mir sicherlich nicht dein geheimes Baumhaus gezeigt, sondern wärst gleich zu Mr Crimer gelaufen.«
»Möglich«, sagte Tom und grinste noch breiter. »Petzen sind zu allem fähig.«
»Ich heiße Maxwell Fox«, stellte sich Max noch einmal mit seinem richtigen Namen vor. »Mein Vater ist Professor für Altertumsforschung an der New York University, und er reist viel in der Weltgeschichte herum, um Artefakte, Schrifttafeln und andere mysteriöse Dinge aus der Vergangenheit auszugraben. Und ich darf ihm dabei helfen. Meine Mutter und meine Schwester sind auch meistens mit von der Partie. Erst gestern waren wir auf der Rückreise aus der Sierra Nevada in Spanien. Dort hat mein Vater eine Ausgrabung überwacht, die einen maurischen Palast zutage gefördert hat. Nicht ganz so ein Wunder wie eure Stadt hier unten, aber auch nicht schlecht …« Er machte eine kurze Pause und grinste, weil Tom wieder mit den Ohren wackelte.
»Mitten auf dem Ozean hat es dann auf unserem Schiff eine Explosion gegeben«, fuhr Max fort. »Und es ist untergegangen. Natürlich hat unsere Mutter uns rechtzeitig in ein Rettungsboot verfrachtet, aber bevor wir von einem anderen Schiff aufgenommen werden konnten, sind wir in einen Nebel geraten und wurden von den anderen Rettungsbooten getrennt. Ich habe dann so eine merkwürdige Kugel entdeckt, die in Wirklichkeit eine Tauchglocke war. Und die hat uns hierhergebracht. Offenbar zur selben Zeit, zu der dieser Professor Spencer erwartet wurde, denn für den hat man meinen Vater gehalten. Und meine Mutter meinte, dass es ein schlechtes Licht auf uns werfen würde, wenn wir den Irrtum aufgeklärt hätten. Sie ist immer sehr darauf bedacht, dass bloß nichts ein schlechtes Licht auf uns wirft.«
Tom wackelte wieder mit den Ohren.
»Na ja, ist ja auch egal«, sagte Max. »Jedenfalls sind wir durch Zufall hier und haben nichts mit irgendwelchen Unruhestiftern zu tun. Und mit diesem komischen Mr Nin erst recht nicht.«
»Aber Mr Crimer wird genau das glauben, wenn er merkt, dass ihr nicht die seid, für die ihr euch ausgebt«, sagte Tom. »Er ist in dieser Hinsicht etwas paranoid.«
»Para-was?«, fragte Max, der sich ein bisschen darüber ärgerte, dass Tom mehr Fremdwörter kannte als er.
»Paranoid heißt, dass man glaubt, alle haben sich gegen einen verschworen oder wollen einem was Böses«, erklärte Tom.
»Ach so«, sagte Max. »Dann ist meine Schwester auch
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