Das Grauen lauert in der Tiefe
der Unruhestifter bislang zu Gesicht bekommen hat. Ist dir das klar? Wie sah er aus?«
»Eigentlich ganz nett«, sagte Max. »Er hatte ein längliches, schmales Gesicht, war glatt rasiert und hatte leuchtend hellblaue Augen. Und eine kleine Narbe war auf der linken Wange.«
»Das ist nicht dein Ernst!«, rief Tom.
»Äh, doch. Wieso?« Max blickte seinem Freund verwundert hinterher. Tom war wie von der Tarantel gestochen losgelaufen und in einem Zimmer am Ende des Flurs verschwunden. Als Max und Mafalda ihn eingeholt hatten, hob er gerade ein kleines Ölbild vom Fußboden auf, dessen Rahmen zerschmettert worden war. Das Bild selbst aber war heil.
»Hier«, sagte Tom. »Schau dir das mal an. War er das?« Er zeigte auf einen großen, schlanken Mann, der zusammen mit zwei anderen Herren vor einer Art Dampfmaschine stand.
»Ja, genau, das ist er«, sagte Max. Er nickte heftig. »Aber hast du nicht gerade gesagt, dass keiner Mr Nin je gesehen hat? Und jetzt taucht hier ein Ölgemälde von ihm auf …«
»Das ist nicht Mr Nin«, unterbrach ihn Tom. »Das ist Professor Hardenberg, zusammen mit meinem und Philips Vater.«
»Das wird ja immer verrückter«, sagte Mafalda.
»Finde ich auch.« Max sah seine Schwester an. Dann schauten beide im Zimmer umher. Ein großer Tisch stand in der Mitte des Raums, mehrere Bücher lagen darauf verstreut. Die Polster des angrenzenden Sofas waren ebenfalls aufgeschlitzt und ein Schrank war von der Wand abgerückt worden. Mafalda ging zu dem Schrank, lugte dahinter und bemerkte, dass die Tapete ein Stückchen angehoben und aufgerissen worden war.
»Die suchen auf jeden Fall etwas Flaches«, stellte sie fest. »Etwas, das man hinter einem Schrank oder sogar hinter der Tapete verbergen kann.«
»Stimmt«, sagte Max gedankenverloren. Er hatte eine Zeichnung entdeckt, die unter den Büchern auf dem Tisch zum Vorschein gekommen war. Max wusste nicht, warum, aber er konnte den Blick nicht von dem Bild abwenden. In seinem Gehirn begannen sich kleine Rädchen zu drehen. Er betrachtete die Zeichnung genauer und stellte fest, dass es sich um eine Buchseite handelte, die jemand herausgerissen hatte. Es gab noch andere lose Seiten auf dem Tisch, aber diese hier hatte irgendeine Bedeutung, da war sich Maxwell auf einmal ganz sicher. Und dann machte es in seinem Kopf
klick!
»Schaut euch das an!«, rief er aufgeregt.
Mafalda und Tom kamen herüber.
»Das ist eine Illustration aus einem Buch«, meinte Tom, der nicht recht wusste, warum Max plötzlich so aus dem Häuschen war.
»Sieht aus, als zeigt es irgendeine Naturkatastrophe«, sagte Mafalda mit Kennermiene. »Die Menschen laufen um ihr Leben, Häuser stürzen ein, das dahinten scheint Lava zu sein … Vielleicht ist es auch ein Feuerschwall, den irgendein Monster aus seinem Maul spuckt …«
»Du immer mit deinen Monstern«, unterbrach Maxwell seine Schwester.
»Das dahinten
ist keine Lava und auch kein Feuer, sondern die Darstellung von riesigen Wellen. Das Bild zeigt den Untergang von Atlantis.«
»Woher willst du das so genau wissen?« Mafalda zog einen Schmollmund.
»Das sieht man doch auf den ersten Blick«, sagte Max und kostete seinen Triumph einige Sekunden lang aus. Dann fügte er hinzu: »Und außerdem steht es da unten in der Ecke.«
»Tatsächlich!« Tom beugte sich über das Bild. »Aber was ist daran jetzt so besonders?«
»Unser Vater hat uns mal erzählt, dass es eine Theorie gibt, nach der Atlantis nicht im Mittelmeer gelegen haben soll, sondern im Atlantischen Ozean. Und dass nicht eine Naturkatastrophe an seinem Untergang schuld war, sondern die Einwohner, die in Sachen Magie etwas übereifrig waren.«
»Papa sagt, es gibt keine Magie, sondern nur physikalische Gesetze, die wir noch nicht kennen«, unterbrach Mafalda ihn.
»Genau.« Max machte eine ärgerliche Handbewegung und klopfte Mafalda auf ihren dichten braunen Lockenschopf. »Was ja wohl auf dasselbe hinausläuft. Die Leute in Atlantis haben irgendetwas entdeckt, das eine gewaltige Energie freigesetzt hat. Und dieses Etwas haben Crimer & Co. hier unten auf dem Meeresboden aufgespürt und für sich nutzbar gemacht. Um was wollen wir wetten, dass Atlantis in dieser Meeresspalte liegt, an der Atlantic Haven erbaut worden ist?«
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, wollte Tom wissen. »Nur weil du hier diese Zeichnung entdeckt hast? Ich kann mir das nicht so richtig vorstellen. Mein Papa, Professor Hardenberg und Dr. Sinclair haben nie von
Weitere Kostenlose Bücher