Das Graveyard Buch
fragte Mrs Owens. Bod ballte die Hände zu Fäusten und schwieg.
Mit dem Gefühl, von aller Welt ungeliebt und unve r standen zu sein, stapfte er auf den Friedhof.
Bod grübelte über die Ungerechtigkeit nach, die ihm geschah, und streifte, hier und da gegen einen Stein tr e tend, über den Friedhof. Er bemerkte wieder den großen grauen Hund und rief ihm etwas zu, in der Hoffnung, er würde kommen und mit ihm spielen. Doch der Hund kam nicht näher. Enttäuscht warf Bod einen Klumpen Erde nach ihm, doch er ve r fehlte sein Ziel, der Klumpen klatschte auf einen Grabstein und die Erde spritzte nach allen Seiten. Der große Hund schaute vorwurfsvoll zu Bod herüber, dann glitt er in den Schatten und war wi e der verschwunden.
Der Junge machte kehrt und ging über den Südwes t hang des Hügels zurück, wobei er einen großen Bogen um die alte Kapelle machte. Er wollte den Ort nicht s e hen, der ohne Silas verwaist war. Er blieb an einem Grab stehen, das genauso aussah, wie Bod sich fühlte.
Es lag unter einer alten Eiche, die einmal von einem Blitz getroffen worden war und deren schwarzer Stamm nun wie eine scharfe Kralle aus dem Boden ragte. Die Grabplatte selbst war voller Stockflecken und rissig und darüber war ein Gedenkstein, an dem ein Engel ohne Kopf hing, dessen Gewand aussah wie ein gewaltiger Baumpilz.
Bod setzte sich ins Gras und tat sich selbst leid. Er hasste alle, auch Silas, weil der ihn im Stich gelassen hatte. Dann schloss er die Augen, rollte sich im Gras z u sammen und glitt in traumlosen Schlaf.
Die Straße hügelan kamen der Herzog von Westminster , der Ehrenwerte Archibald Fitzhugh und der B i schof von Bath und Wells, in zerfetzten Lumpen und alle drei nur noch Knochen und Sehnen, aber wie Frösche über A b falleimer springend, sich immer im Schutz der Hecken haltend und von Schatten zu Schatten huschend.
Sie waren so klein, wie wenn sie in der Sonne zusa m mengeschrumpft wären. Sie sprachen in fein gedrechse l ten Sätzen wie »Wenn Euer Gnaden auch nur einen schwachen Schimmer davon haben, wo wir uns befinden könnten, dann wäre ich Euch für eine Auskunft unen d lich verbunden. Sollte dem aber nicht so sein, halten Euer Gnaden doch die Futterluke geschlossen.« Oder: »Exze l lenz, ich sage lediglich, dass sich hier in der Nähe ein Friedhof befinden muss, ich rieche das«, und: »Wenn Ihr es riecht, dann müsste ich es auch riechen, da ich eine feinere Nase habe als Euer Gnaden.«
So unterhielten sie sich, während sie sich durch die Gärten der Vorstadtsiedlung stahlen. Um einen Ga r ten machten sie einen Bogen. (»Psst!«, zischte der Ehrenwe r te Archibald Fitzhugh, »frei laufende Hu n de!«) Sogleich huschten alle auf die Gartenmauer wie Ratten und von dort hinunter auf die Straße und weiter, den Hügel hi n auf. Dann standen sie vor der Friedhofsmauer, sie klette r ten hinauf, wie die Eic h hörnchen auf Bäume klettern, und schnupperten.
»Ein Porzellanhund«, sagte der Herzog von Wes t minster .
»Wo denn? Ich weiß nicht recht«, sagte der Bischof von Bath und Wells. »Jedenfalls riecht er nicht wie ein richtiger Hund.«
»Irgendjemand hat vorhin auch den Friedhof nicht g e rochen«, bemerkte der ehrenwerte Archibald Fit z hugh. »Ich sage, es ist bloß ein Hund.«
Die drei sprangen von der Mauer und rannten, Arme und Beine gleichermaßen zu Hilfe nehmend, durch den Friedhof bis zum Ghultor bei der schwa r zen Eiche.
Dort neben dem Tor, im Mondschein, blieben sie st e hen.
»Ja, was haben wir denn da?«, fragte der Bischof von Bath und Wells.
»Ach du meine Güte«, stieß der Herzog von Wes t minster hervor.
Da schlug Bod die Augen auf.
Die drei Gesichter, die ihn anschauten, sahen aus wie Mumien, eingefallen und ausgedörrt, doch ihre Züge w a ren lebhaft und interessiert: grinsende Münder mit scha r fen gelben Zähnen, helle, glänzende A u gen und Finger wie Klauen, die flink herumtasteten.
»Wer seid ihr?«, fragte Bod.
»Wir«, sagte eines der Wesen – sie waren, wie Bod jetzt sah, nicht viel größer als er selbst –, »sind Leute von allerhöchster Wichtigkeit. Das ist der Herzog von Wes t minster.« Der Größte machte eine Verbeugung und sa g te: »Ich bin entzückt …« – »Und das ist der Bischof von Bath und Wells.« Dieser lächelte breit, bleckte die Zähne und zeigte eine spitze, unglaublich lange Zunge. Die ga n ze Gestalt entsprach nicht Bods Bild von einem B i schof: scheckige Haut und ein gr o ßer dunkler Fleck über einem Auge
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