Das Graveyard Buch
ohne auch nur hinzusehen.
Bod schaute in den dunklen Schacht über sich, durch den sie in diese fremde Welt gekommen waren, doch er sah nur Gräber über Gräber.
Er fragte sich, ob jedes der Gräber, an denen sie sich vorbeischwangen, eine Tür war für solche Wesen wie die, die ihn gerade fortschleppten.
»Wo gehen wir eigentlich hin?«, fragte er, doch seine Stimme wurde vom Wind fortgepeitscht.
Sie sausten immer schneller. Über ihnen sah Bod eine Statue auftauchen und zwei weitere Wesen wu r den in die Welt unter dem blutroten Firmament geschleudert, ger a de so wie die, die Bod trugen. Die eine Gestalt trug eine schäbige Seidenrobe, die wohl ei n mal weiß gewesen war, die andere trug einen fleck i gen grauen Anzug, der viel zu groß war und dessen Ärmel in dunklen Fetzen herabhi n gen. Sie erspähten Bod und seine drei neuen Freunde und setzten ihnen nach.
Der Herzog von Westminster stieß einen heiseren Schrei aus, so als wäre er erschrocken. Mit ihren Verfo l gern auf den Fersen, hangelten sich Bod und seine drei Begleiter an der Gräberwand hinunter. Keiner schien müde zu werden oder außer Atem zu kommen unter dem roten Firmament, von dem die verglühte Sonne hera b schaute wie ein totes Auge. Schließlich landeten sie n e ben der mächtigen Statue eines W e sens, dessen Gesicht ganz aus einer flechtenartigen Wucherung zu bestehen schien. Bod staunte, als er dem 33. Präsidenten von Amerika und dem Kaiser von China vorgestellt wurde.
»Dieser junge Mann hier ist Bod«, sagte der Bischof von Bath und Wells. »Er wird einer von uns werden. «
» Außerdem sucht er etwas Gutes zu essen«, fügte der Ehrenwerte Archibald Fitzhugh hinzu.
»Also wenn du einer von uns wirst, dann ist feines E s sen inbegriffen«, sagte der Kaiser von China.
»Versteht sich«, sagte der 33. Präsident von Am e rika. »Ich werde einer von euch?«, sagte Bod. »Wollt ihr d a mit sagen, dass ich so werde wie ihr?«
»Gespannt wie ein Flitzebogen, scharf wie eine R a sierklinge; wer diesen Jungen verschaukeln will, muss sehr spät nachts aufstehen«, sagte der Bischof von Bath und Wales. »Ja, einer von uns, so stark, so schnell und so unbezwingbar.«
»Mit Zähnen, die Knochen zermalmen, und mit e i ner Zunge, scharf und lang genug, um das Mark aus allen Knochen zu saugen und den feistesten Gesic h tern das Fleisch abzuziehen«, sagte der Kaiser von China.
»Von Schatten zu Schatten huschen, ohne je ges e hen, je verdächtigt zu werden. Frei wie die Luft, schnell wie die Gedanken, kalt wie der Frost, hart wie Stahl, gefäh r lich wie, wie wir «, sagte der Herzog von Westminster .
Bod schaute die Wesen an. »Aber wenn ich nun gar keiner von euch sein will?«
»Du willst nicht? Aber natürlich willst du! Was könnte schöner sein? Ich glaube, es gibt im ganzen Weltall keine Seele, die nicht genauso sein will wie wir .«
»Wir haben die schönste Stadt –«
»Ghulheim«, sagte der 33. Präsident von Amerika.
»Das beste Leben, das beste Essen –«
»Kannst du dir vorstellen«, schaltete sich der B i schof von Bath und Wells ein, »was für ein Labsal der schwa r ze Trunk ist, der sich in einem bleiernen Sarg sammelt? Oder was für ein Gefühl es ist, wichtiger zu sein als K ö nige und Königinnen, Präsidenten, Minister oder Krieg s helden, es genau zu wissen, so wie man weiß, dass Me n schen wichtiger sind als Rose n kohl?«
»Was seid ihr für Wesen?«
»Ghule«, sagte der Bischof von Bath und Wells. »Fü r wahr, da hat aber einer nicht aufgepasst. Wir sind Ghule.«
»Schau!«
Unter ihnen rannte und hüpfte ein ganzer Haufen kleinwüchsiger Wesen, und ehe Bod etwas sagen konnte, wurde er von einem Paar knochiger Hände gepackt und in einer Reihe von Sprüngen und Salti mitgerissen. Auch sie wollten sich mit ihren Artgeno s sen treffen.
Die Gräberwand war zu Ende. Vor ihnen lag eine öde Ebene, eine Wüste aus Fels und Knochen, und durch di e se Ebene wand sich ein ausgetretener Pfad bis zu einer Stadt, die viele Meilen entfernt auf einem roten Felse n berg thro n te.
Bod schaute hinauf zu der Stadt und erschauderte; ein Gefühl überflutete ihn, eine Mischung aus A b scheu und Furcht, Ekel und Übelkeit, und alles überlagert von En t setzen.
Ghule bauen nicht, sie sind Schmarotzer und Aasfre s ser. Die Stadt, die sie Ghulheim nennen, hatten sie vor langer Zeit entdeckt, aber nicht selbst errichtet. Keiner weiß, welche Wesen diese Bauten mit ihrem Gewirr aus Tunneln und Türmen gemacht haben, aber
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