Das Graveyard Buch
gaben ihr fast ein piratenhaftes Aussehen. »Und isch ’abe die Ehre, ter Ehrenwerte Harchibald Fit z hugh zu sein. Tsu Ihren Diensten.«
Die drei Gestalten verbeugten sich gleichzeitig. Der Bischof von Bath und Wells sagte: »Nun, junger Mann, lass deine Geschichte hören. Aber erzähl keine Schwe i nereien, denk dran, dass du mit einem Bischof redest.«
»Sie sagen es, Euer Exzellenz«, sagten die beiden a n deren.
Also erzählte Bod ihnen alles. Dass keiner ihn mochte, dass keiner mit ihm spielen wollte, dass ke i ner sich um ihn kümmerte und dass sogar sein Vo r mund ihn im Stich gelassen hatte.
»Menschenskind«, staunte der Herzog von Westmin s ter und kratzte sich an der Nase (ein kleines vertrockn e tes Ding, das hauptsächlich aus Nasenlöchern bestand). »Du musst unbedingt irgendwohin, wo die Leute dich lieben und schätzen.«
»So etwas gibt es nicht«, sagte Bod. »Ich darf den Friedhof nicht verlassen.«
»Er braucht Freunde und Spielkameraden, und zwar möglichst viele«, sagte der Bischof von Bath und Wells und schlackerte mit der langen Zunge. »Eine Stadt voller Vergnügungen, voller Spaß und Zaub e rei, wo man dich schätzt und nicht übergeht.«
Bod erzählte weiter: »Die Frau, die sich um mich kümmern soll, bringt mir schreckliches Essen. Suppe mit steinharten Eiern und so.«
»Essen!«, stieß der Ehrenwerte Archibald Fitzhugh hervor. »Da, wo wir hingehen, gibt es das beste Essen von der Welt. Mir läuft schon das Wasser im Mund z u sammen, wenn ich nur dran denke.«
»Darf ich mitkommen?«, fragte Bod.
»Mitkommen?« Der Herzog von Westminster klang erschrocken.
»Seid doch nicht so, Euer Gnaden«, sagte der B i schof von Bath und Wells, »’abt ein fühlend ’erz. Schaut euch das arme Wurm an, ’at wer weiß wie lang keine gesche i te Mahlzeit mehr ge’abt.«
»Ich bin dafür, dass wir ihn mitnehmen«, sagte der Ehrenwerte Archibald Fitzhugh. »Bei uns daheim gibt’s gutes Futter.« Er klopfte sich auf den Bauch, um zu ze i gen, wie gut das Essen war.
»Bist du für ein Abenteuer zu haben?«, fragte der He r zog von Westminster, überwältigt von der r o manhaften Idee. »Oder willst du den Rest deines Lebens hier ve r sau ern?« Und mit knochigen Fingern wies er auf den Frie d hof und in die Nacht.
Bod dachte an Miss Lupescu, an ihr schreckliches E s sen, an ihre Listen und an ihren verkniffenen Mund.
»Ich bin dabei«, sagte er.
Bods neue Freunde waren zwar kaum größer als er, aber sie waren viel stärker als ein Kind. Der B i schof von Bath und Wells hob ihn auf und hielt ihn über seinem Kopf, während der Herzog von Westminster ein Büschel mickr i ges Gras packte, etwas rief, das klang wie » Skagh! Thegh! Kh a vagah!«, und daran zog. Die Steinplatte über dem Grab ging auf wie eine Falltür, darunter gähnte Du n kelheit.
»Jetzt aber schnell«, sagte der Herzog. Der Bischof stieß Bod in die dunkle Öffnung und sprang ihm nach, gefolgt von Archibald Fitzhugh. Als Letzter sprang der Herzog mit dem lauten Ruf »Wegh Khâr a dos!«. Die Steinplatte krachte über ihnen zu und die Ghulpforte war geschlossen.
Bod fiel durch die Dunkelheit wie ein Klumpen Stein. Er war viel zu verblüfft, um sich zu fürchten, und fragte sich nur, wie tief das Loch unter diesem Grab wohl war, als zwei starke Arme ihn unter den Achseln packten und ihn durch die Dunkelheit schwangen.
Bod wusste seit Jahren nicht mehr, was völlige Du n kelheit war. Auf dem Friedhof konnte er sehen wie die Toten, für ihn war kein Grab und keine Gruft wirklich schwarz. Nun lernte er völlige Dunkelheit kennen und obendrein spürte er, wie er durch Nacht und Wind g e worfen wurde. Ein angsteinflößendes, aber auch wahn sinnig aufregendes Erlebnis.
Und dann war Licht und alles verwandelte sich.
Der Himmel war rot, aber es war nicht der warme Ton des Abendrots. Es war ein zorniges, glühendes Rot wie die Farbe einer entzündeten Wunde. Die Sonne war klein und sie sah aus, als sei sie alt und sehr weit weg. Es war kalt hier und sie stiegen eine Mauer hinab, aus der Gra b steine und Statuen ragten, als ob ein ganzer Friedhof auf die Seite gekippt wo r den wäre. Wie drei Schimpansen in zerknitterten schwarzen Anzügen schwangen sich der Herzog von Westminster, der Bischof von Bath und Wells und der Ehrenwerte Archibald Fitzhugh von St a tue zu Statue und von Grabstein zu Grabstein. Bod hie l ten sie mit festem Griff zwischen sich, warfen ihn nach vorn und fingen ihn mit Leichtigkeit wieder auf,
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