Das Graveyard Buch
Ausdruck dafür, wenn er etwas Unangenehmes nur durch etwas noch Schli m meres beseitigen oder bekämpfen konnte: »den Teufel mit dem Beelzebub austreiben«. Bod hatte sich immer gefragt, was er damit meinte, da er in seinem bisher i gen Leben auf dem Friedhof weder Teufel noch Bee l zebub begegnet war.
Ich muss die Ghule mit dem Ungeheuer vertreiben, dachte er.
Kaum hatte er das gedacht, schnappten scharfe Hu n dezähne nach dem Sackleinen und rissen die L ö cher, die Bod gebohrt hatte, auf und der Junge fiel auf die steine r nen Stufen, genau vor ein mächtiges graues Tier. Es sah aus wie ein Hund, nur viel größer, mit weißen Reißzä h nen und gewaltigen Tatzen und mit flammenden Augen, es knurrte und Speichel troff ihm aus dem Maul. H e chelnd starrte es Bod an.
Die Ghule vor ihm waren stehen geblieben. »Heil i ger Bimbam«, sagte der Herzog von Westminster. »Der Hö l lenhund hat den Bengel erwischt!«
»Soll er doch«, sagte der Kaiser von China. »Lauf!«
»Huch!«, sagte der 33. Präsident der Vereinigten Sta a ten. Die Ghule rannten die Treppe hinauf. Bod war jetzt sicher, dass die Stufen von Riesen in den Fels gehauen worden waren, denn jede Stufe war h ö her als er selbst. Auf ihrer Flucht wandten sich die Ghule immer wieder um und machten derbe Gesten zu dem Höllenhund und wahrscheinlich auch zu Bod.
Das Ungeheuer auf vier Pfoten rührte sich nicht vom Fleck.
Es wird mich fressen, dachte Bod bitter. Schlau von dir, Bod. Und er dachte an sein Zuhause auf dem Frie d hof und jetzt konnte er sich nicht mehr eri n nern, warum er fortgegangen war. Ungeheuer hin oder her, er musste wieder nach Hause. Schließlich wartete man dort auf ihn.
Er stürmte an dem Ungeheuer vorbei, sprang auf die Stufe über einen Meter unter ihm, verstauchte sich den Fuß, als er aufkam, und blieb auf dem Fels liegen.
Das Ungeheuer setzte ihm nach. Er wollte ihm au s weichen, versuchte aufzustehen, aber sein schme r zender Fuß gehorchte ihm nicht. Ehe er sich’s versah, war er gestolpert und fiel von der Stufe hinunter über die Fel s wand ins Leere, ein albtraumhafter Sturz in Tiefen, die Bod sich nicht vorstellen konnte.
Und während er fiel, war ihm, als hörte er eine Sti m me, die von dem Ungeheuer herkam. Und es war die Stimme von Miss Lupescu, die sagte: »Oh, Bod!«
Es war wie in allen Albträumen vom Fallen, die er je gehabt hatte, ein angstvoller und irrsinniger Sturz durch den leeren Raum auf den Grund zu. Bod hatte das G e fühl, dass in seinem Kopf nur Platz war für einen einz i gen großen Gedanken, und so rangen Di e ser große Hund ist eigentlich Miss Lupescu und Ich schlage gleich auf dem Felsboden auf und werde zu Brei um die Vorher r schaft.
Etwas kam und hüllte ihn ein, dann das laute G e räusch von lederartigen Flügeln, die durch die Luft wischten und seinen Sturz abmilderten. Der Boden schien nicht mehr mit der gleichen rasenden Geschwindigkeit auf ihn zuzukommen. Die Flügel schl u gen kräftiger. Sie stiegen etwas höher und nun war Bods einziger Gedanke Ich fliege! Das tat er wirklich. Er wandte den Kopf. Über ihm war ein großer bra u ner und vollkommen kahler Kopf mit dunklen Augen, die aussahen wie polierte schwarze Fli e sen.
Bod presste den schrillen Laut heraus, der in der Spr a che der Nachthunde »Hilfe« hieß. Der Nachthund lächelte und antwortete mit einem tiefen son o ren Schrei. Er schien erfreut zu sein.
Sie flogen einen engen Bogen und landeten mit e i nem dumpfen Schlag auf dem Wüstenboden. Bod wollte au f stehen, doch der verstauchte Fuß versagte ihm den Dienst und brachte ihn ins Stolpern. Der Wind blies kräftig und der scharfe Wüstensand stach auf Bods Haut.
Der Nachthund ließ sich neben ihm nieder, die ledr i gen Flügel auf dem Rücken angelegt. Da Bod auf dem Friedhof groß geworden war, waren geflügelte Wesen nichts Ungewöhnliches für ihn. Aber die Engel auf den Grabsteinen sahen ganz anders aus.
Aus der Wüste im Schatten von Ghulheim kam ein großes graues hundeähnliches Wesen herangespru n gen.
Und der Hund sprach mit Miss Lupescus Stimme:
»Das ist das dritte Mal, dass die Nachthunde dir das Leben gerettet haben, Bod. Das erste Mal, als du sie um Hilfe gerufen hast und sie dich gehört haben. Sie haben mir die Nachricht überbracht und mir g e sagt, wo du warst. Das zweite Mal, als du letzte Nacht am Feuer ei n geschlafen bist. Sie kreisten im Dunkeln über dem Lager und hörten, wie ein paar Ghule da r über redeten, dass du ein Unglück
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