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Das Graveyard Buch

Titel: Das Graveyard Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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heilig ist, bevor wir es betreten, und auch danach. Aber hier in de i nem Land haben die Menschen die Kirchen und den B o den darum herum, wo sie die Leute begraben, g e weiht, um ihn heilig zu machen. Aber sie haben ein Stück Land daneben ungeweiht gelassen, den Schinda n ger, wo sie die Heimatlosen, die Verbrecher, die Selbs t mörder und die Ketzer b e graben haben.«
    »Dann sind die Leute, die auf der anderen Seite des Zauns begraben sind, also böse?«
    Silas hob eine perfekt geschwungene Augenbraue. »Mh? Oh, ganz und gar nicht. Es ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal da unten gewesen bin, aber an jemand richtig Bösen kann ich mich nicht erinnern. Du musst wissen, dass man in früheren Zeiten schon g e hängt werden konnte, wenn man bloß einen Groschen gestohlen hat. Außerdem wird es immer Menschen g e ben, die ihr Leben so unerträ g lich finden, dass sie es für das Beste halten, den Übergang in eine andere Dasein s form zu b e schleunigen.«
    »Sie bringen sich um, meinst du?«, sagte Bod. Er war nun acht Jahre alt, offen und wissbegierig und er war nicht dumm.
    »Genau.«
    »Und klappt das? Sind sie glücklicher, wenn sie tot sind?«
    »Manchmal schon, aber meistens nicht. Das ist wie mit den Menschen, die glauben, woanders ein glücklich e res Leben zu führen, und dann feststellen, dass das so nicht funktioniert. Egal, wo du hingehst, du nimmst dich selbst immer mit. Verstehst du, was ich meine? «
    » So u n gefähr«, sagte Bod.
    Silas strich ihm übers Haar.
    »Und die Hexe?«, fragte Bod.
    »Ach ja, genau«, sagte Silas. »Selbstmörder, Verbr e cher und Hexen. Alle, die ohne die Beichte gesto r ben sind.« Er stand auf, ein tiefschwarzer Schatten im Dä m merlicht. »So viel geredet und dabei habe ich noch gar nicht gefrühstückt. Und du kommst zu spät zum Unte r richt.« Im Dämmerlicht des Friedhofs durchbrach ein Geräusch die Stille, ein samtdunkles Flattern, und Silas war verschwunden.
    Als Bod bei der Grabstätte des Mr Pennyworth ankam, ging der Mond gerade auf und Thomas Pe n nyworth (Er ruhet hier im festen Glauben an die glorreiche Auferst e hung) wartete nicht gerade in bester Stimmung auf Bod.
    »Du bist spät dran.«
    »Tut mir leid, Mr Pennyworth.«
    Pennyworth hüstelte. In der vorangegangenen W o che hatte Mr Pennyworth Bod in die antike Lehre von den Elementen und den Temperamenten eingeführt und Bod hatte immer vergessen, was was war. Er ha t te sich auf eine Prüfung gefasst gemacht, doch stat t dessen sagte Mr Pennyworth: »Es ist an der Zeit, dass wir ein paar Tage mit praktischen Übungen verbri n gen. Die Zeit bleibt schließlich nicht stehen.«
    »Wirklich?«, fragte Bod.
    »Ich fürchte, ja, junger Mann. Also, wie weit bist du im Unsichtbarmachen?«
    Bod hatte gehofft, dass diese Frage nicht käme.
    »Geht so«, sagte er. »Na ja, Sie wissen schon.«
    »Nein, ich weiß nicht. Zeig es mir doch einfach mal.« Bod rutschte das Herz in die Hose. Er holte tief Luft, verdrehte die Augen und tat sein Bestes, um sich u n sichtbar zu machen.
    Mr Pennyworth zeigte sich nicht beeindruckt.
    »Pah, so geht das nicht. So geht das überhaupt nicht. Hindurchgleiten und sich unsichtbar machen wie die T o ten. Durch Schatten hindurchgleiten, aus der Wahrne h mung verschwinden. Versuch es noch ei n mal. «
    Bod versuchte es noch angestrengter.
    »Dich sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock«, sagte Mr Pennyworth. »So auffällig wie ein bunter Hund. Um Himmels willen, mach dich innerlich leer. Du bist eine leere Gasse. Du bist ein offener Durc h gang. Du bist nichts. Menschliche Augen sehen dich nicht. Menschl i cher Geist hält dich nicht. Wo du bist, da ist nichts und niemand.«
    Bod versuchte es wieder. Er schloss die Augen und stellte sich vor, er würde im fleckigen Mauerwerk der Gruft verschwinden und wäre nur noch ein Schatten in der Nacht. Dann musste er niesen.
    »Furchtbar«, sagte Mr Pennyworth. »Einfach furch t bar. Ich glaube, ich muss einmal ein Wörtchen mit de i nem Vormund reden.« Er schüttelte den Kopf. »So weit – so schlecht. Also. Die Temperamente. Zähl sie auf.«
    »Äh, sanguinisch, cholerisch, phlegmatisch. Da war noch eins, äh, melancholisch, glaube ich.«
    Und so ging es weiter, bis es Zeit war für Grammatik und Aufsatz mit Miss Letitia Borrows, der alten Jungfer der Kirchengemeinde (Hat ihr Lebtag keiner Mensche n seele etwas zuleide getan, kannst du, lieber Leser, selb i ges von dir behaupten?). Bod mochte Miss Borrows und ihre

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