Das Graveyard Buch
Bett ging, dachte sie an ihn, dann stellte sie sich vor, sie durchstreife den Friedhof und suche nach ihm. Aber als sie dann ei n schlief, träumte sie von Streifzügen durch Glasgow mit ihren Freunden aus ihrer alten Schule. Sie suchten eine ganz bestimmte Str a ße, gerieten aber nur von einer Sackgasse nach der and e ren.
Tief unter dem Krakauer Burgberg, im tiefsten G e wölbe unter den Drachenhöhlen, taumelte Miss L u pescu und fiel.
Silas kauerte sich neben sie und bettete ihren Kopf in seine Hände. Auf ihrem Gesicht war Blut und ein i ges davon war ihr Blut.
»Lasst mich hier«, sagte sie. »Rettet den Jungen.« Sie war jetzt zur Hälfte Wolf und zur Hälfte Frau, nur ihr Gesicht war ein Frauengesicht.
»Nein«, sagte Silas, »ich lasse dich nicht allein z u rück.«
Hinter ihm drückte Kandar das Ferkel an sich, wie ein Kind seine Puppe an sich drückt. Der linke Flügel der Mumie war abgebrochen, sie würde nie mehr fliegen können, aber aus ihrem bärtigen Gesicht sprach ein u n beugsamer Wille.
»Sie kommen wieder, Silas«, flüsterte Miss Lupescu. »Schon sehr bald wird die Sonne aufgehen.«
»Dann«, sagte Silas, »müssen wir gegen sie vorg e hen, bevor sie sich wieder zum Angriff gesammelt h a ben. Kannst du stehen?«
» Da , ich gehöre zu den Hunden Gottes«, sagte Miss Lupescu. »Ich werde stehen.« Sie ließ ihr Gesicht in den Schatten sinken und beugte die Finger. Als sie den Kopf wieder hob, war es ein Wolfskopf. Sie stemmte die Vo r derpfoten auf den Felsgrund und e r hob sich mühsam auf alle viere, ein grauer Wolf, gr ö ßer als ein Bär, Fell und Schnauze blutbefleckt.
Sie warf den Kopf zurück und stieß ein wütendes, he r ausforderndes Heulen aus. Sie bleckte die Zähne, senkte den Kopf noch einmal. »Jetzt«, knurrte sie. »Wir bringen es zu Ende.«
Am späten Sonntagnachmittag läutete das Telefon. Sca r lett saß unten und zeichnete Gesichter aus einem Manga auf Schmierpapier ab. Ihre Mutter ging dran.
»Das ist ja lustig, wir haben gerade von Ihnen gespr o chen«, sagte ihre Mutter, obwohl das gar nicht stimmte. »Es war ein wunderbarer Abend«, fuhr ihre Mutter fort. »Wir haben uns prima unterhalten. Und ganz ehrlich, es hat keine Umstände gemacht. Die Schokolade? Die war köstlich. Ich habe Scarlett schon gesagt, sie soll Ihnen ausrichten, wenn Sie wieder mal gut zu Abend essen wollen, dann rufen Sie einfach an.« Und dann: »Scarlett? Ja, die ist da. Ich geb sie Ihnen mal. Scarlett?«
»Mama, ich bin hier«, sagte Scarlett. »Du brauchst nicht zu schreien.« Sie nahm das Telefon. »Mister Frost?«
»Scarlett?« Er klang ganz aufgeregt. »Die Sache, äh, über die wir gesprochen haben, die in meinem Haus pa s siert ist. Du kannst deinem Freund sagen, dass ich etwas herausgefunden habe – äh, falls die Frage nicht zu pe r sönlich ist; als du gesagt hast, ein Freund von dir, war das so gemeint, wie wir einmal geredet haben, oder steckt wirklich ein richtiger Mensch dahinter?«
»Ich habe tatsächlich einen Freund, der das wissen will«, sagte Scarlett belustigt.
Ihre Mutter warf ihr einen verwirrten Blick zu.
»Sag deinem Freund, dass ich etwas ausgegraben habe – nicht im wörtlichen Sinn, ich habe eher he r umgekramt und mich genau umgesehen –, und ich glaube, ich habe ein paar wichtige Informationen z u tage gefördert. Bin über etwas Geheimes gestolpert. Nichts, was wir verbre i ten sollten … Ich, äh … Ich habe etwas herausgefu n den.«
»Und was?«, fragte Scarlett.
»Denk bitte nicht, dass ich spinne. Aber, soweit ich jetzt weiß, sind drei Personen umgebracht worden. Eine vierte, das Baby, glaube ich, hat überlebt. Es war keine dreiköpfige, sondern eine vierköpfige F a milie, nur drei sind umgekommen. Sag deinem Freund, er soll zu mir kommen, dann setze ich ihn über alles ins Bild.«
»Ich sag es ihm«, sagte Scarlett. Als sie auflegte, poc h te ihr Herz wild.
Zum ersten Mal nach sechs Jahren ging Bod wieder die schmalen Stufen ins Innerste des Friedhofhügels hinab. Seine Schritte hallten in der unterirdischen Grabkammer wider.
Unten wartete er darauf, dass der Sleer sich zeigte. Er wartete und wartete, aber nichts erschien, nichts flüsterte, nichts bewegte sich.
Er hielt Ausschau in der Dunkelheit, denn er konnte sehen wie die Toten. Dann ging er zum Altarstein mit dem Kelch, der Brosche und dem Messer.
Er nahm das Messer in die Hand und prüfte die Kli n ge. Sie war schärfer, als er erwartet hatte, und sie ritzte ihn
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