Das große Buch der Lebenskunst
meinen Illusionen. Ich danke, dass ich bei allem, was ist, in Gottes guter
Hand bin.
Ein neuer Geschmack
D ie Haltung der Dankbarkeit hat in unseren Tagen David Steindl-Rast neu als die eigentliche Grundhaltung
des Menschen, ja als wesentlich für einen spirituellen Menschen beschrieben. Er sagt: »Jede Dankbarkeit ist ein Ausdruck von Vertrauen. Jedes Misstrauen
führt dazu, noch nicht einmal ein Geschenk als solches zu erkennen – wer könnte denn sicherstellen, dass es nicht ein Köder, ein Bestechungsversuch, eine
Falle ist? Dankbarkeit hat den Mut zu vertrauen und überwindet so die Angst.« Undankbare Menschen sind für andere unangenehm. Sie haben ein
Grundmisstrauen gegen alles. Wenn man ihnen etwas schenkt, meinen sie, wir hätten damit eine bestimmte Absicht. Sie können nicht dankbar annehmen, was
ist. Alles deuten sie durch ihr Misstrauen in einer negativen Weise. Ein dankbarer Mensch, sagt Steindl-Rast, hat einen guten Blick für das Geschenk in
jeder gegebenen Lage. Er erkennt die Gelegenheit, die selbst in der schlimmsten Situation immer mitgegeben ist. Und er ergreift diese
Gelegenheit. Alles, wofür wir dankbar sind – und nichts sonst im Leben – gibt uns Freude. Steindl-Rast hat Recht: Wenn ich einfach dankbar annehme, was
mir ein Mensch und was mir Gott täglich schenkt, dann bin ich im Einklang mit mir und der Welt. Dann bekommt mein Leben einen neuen und angenehmen
Geschmack.
Mach dich nicht klein
I ch habe Menschen erlebt, die nie zufrieden waren mit dem Lob, das sie erhalten haben. Wenn ich ihnen für
etwas gedankt habe, das mir gut gefallen hat oder das für mich und meinen Weg wichtig war, dann haben sie oft so reagiert, dass sie sich klein gemacht
haben. Es sei doch nicht der Rede wert. Das sei doch nichts Großes gewesen. Da ist das Sich-Kleinmachen oft nur der Versuch, noch mehr Lob zu bekommen. Da
steckt also möglicherweise Unersättlichkeit dahinter. Oder aber die Unfähigkeit, ein Lob dankbar anzunehmen und die Sorge, man könne doch nie
genügen. Nicht nur, wenn jemand mich lobt, sondern auch, wenn ein anderer sich für mein Lob bedankt, dann fühle ich mich im Einklang mit mir und mit
ihm. Wir haben beide gedankt und im Danken Gemeinschaft erfahren. Wir haben beide gespürt, dass letztlich alles Gute von Gott kommt. Aber es ist gut, es
dem Empfänger von Gottes Gaben auch zu sagen, dass ich dafür dankbar bin.
Gemeinsame Freude
D a nkbarkeit hat etwas Befreiendes. Sie befreit mich von dem Zwang, mich mit anderen zu vergleichen und
meine Werke und meine Fähigkeiten über die anderer zu stellen. Sie ermöglicht es mir, mich mit dem anderen zu freuen über das, was ihm gelungen ist. Ich
muss weder ihn noch mich abwerten oder entwerten. Mein Wert verliert sich nicht, wenn ich den Wert des andern dankbar anerkenne. So verbindet die
Dankbarkeit mich mit dem anderen. Ich bin nicht sein Konkurrent und er nicht meiner. Vielmehr schauen wir gemeinsam auf das, was Gott uns schenkt:
manchmal dem anderen und manchmal mir, manches mir und manches dem anderen. Die Dankbarkeit ermöglicht ein gutes Miteinander und befreit uns von einem
ständigen Gegeneinander, von dem Zwang, uns ständig mit andern vergleichen zu müssen. Jeder Mensch hat genügend Grund, dankbar zu sein. Ich bin nicht nur
dankbar für das, was Gott mir geschenkt hat, sondern auch für die Menschen, die er mir geschenkt hat, und für die Menschen, denen er viele Gaben
mitgegeben hat, die ich bei mir nicht finde. Ich muss nicht alles in mir haben. Es ist schön, bei anderen etwas bewundern zu können, was mir fehlt. Dann
bin ich nicht neidisch, sondern ich freue mich an dem Reichtum, den ich in anderen Menschen finde.
Alles ist Geschenk
D ankbarkeit ist nicht mit Naivität zu verwechseln. Die Dankbarkeit lehrt mich, dass ich mich auf keiner
Fähigkeit und auf keinem Werk ausruhen kann. Ich weiß nicht, wie lange mein Geist noch wach bleibt, wie lange mein Leib bei all den äußeren Belastungen
noch mitmacht. Ich habe keine Garantie, dass ich nicht durch einen Unfall oder durch eine Krankheit in meiner Schaffenskraft beeinträchtigt werde. Die
Dankbarkeit lehrt mich, all das dankbar anzunehmen, was Gott mir geschenkt hat, aber auch bereit zu sein, es loszulassen, wenn er mich dazu auffordert. So
befreit mich die Dankbarkeit zum Beispiel von der Angst, ob ich einmal krank werde, und vor den Befürchtungen, wie es im Alter weitergehen
wird. Dankbarkeit führt zur
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