Das große Buch vom Räuber Grapsch
erst heim, wenn du beide Taschen voll hast. Wir müssen genug Vorräte haben, bevor es schneit."
Sie drückte ihm zwei große Einkaufstaschen und ein Messer in die Hand. „Reiß sie nicht einfach heraus", rief sie ihm nach, „sondern schneide sie über dem Boden ab, sonst wachsen sie im nächsten Jahr nicht mehr nach!"
Mies gelaunt streifte Grapsch durch den Wald und schnitt alle Pilze ab, die er entdeckte.
Ein paar besonders schöne regten seinen Appetit an, und so warf er sie sich in den Mund und kaute sie erwartungsvoll. Aber sie schmeckten längst nicht so gut wie Brombeeren, Hirschfleisch oder Torte. In der Hoffnung, sich an den Geschmack zu gewöhnen, aß er noch ein paar mehr von dieser Sorte - allerdings mit noch weniger Begeisterung.
Als er mit prallen Taschen zurückkam, standen unzählige Gläser in Reihen auf dem hohen Eichenschrank, alle voll mit Brombeermarmelade. Olli schüttete gerade einen Eimer voll frisch gepflückter Beeren in den Kessel über dem Feuer.
Ihre Nase war noch immer dick und knallrot und glänzte wie eine Tomate. Ihre Augen waren nur noch Schlitze. „Gott sei Dank", sagte Grapsch, „ich kann dich wieder erkennen. Deutlich sogar."
„Vorhin bekam ich einen Schüttelfrost", berichtete Olli. „Ich dachte, mir platzt der Kopf."
„Du darfst nicht krank werden, Olli", sagte Grapsch. „Nicht hier im Wald. Hier hilft uns niemand. Auch wenn ich den alten Doktor Tuckerpuls aus Juckenau rauben würde, hätt's keinen Zweck. Der bekäme sowieso vor Angst einen Herzschlag. Wer hier krank wird, überlebt oder krepiert. Fang gar nicht erst damit an, Olli, hörst du?"
„Keine Sorge", sagte Olli. „Wenn du mich nicht gerade zerdrückst oder auf die Nase haust, bin ich so gesund wie eine Forelle im Bach." Sie beugte sich über seine Pilztaschen und wühlte darin. „Die Hälfte davon hättest du im Wald lassen können", sagte sie. „Willst du etwa so was essen?" Und sie zeigte auf einen Fliegenpilz. „Ich hab schon ein paar probiert", sagte er. „Sie haben mir aber nicht besonders geschmeckt. Obwohl sie so appetitlich aussehen."
„Tassilo!", rief Olli entsetzt. „Hast du wirklich solche roten mit weißen Tupfen gegessen ? Die sind giftig - und wie! Jetzt ist es aus mit dir!" Und sie brach in Tränen aus.
„Unsinn", sagte er. „Ich hab schon Waschpulver und Scherben gegessen, und einmal hab ich das Hüftgelenk von einem Hirsch verschluckt. Trotzdem lebe ich noch. So ein paar lächerliche Pilze bringen mich doch nicht um!"
Ein Besen im Schlund
Aber schon eine Viertelstunde später fing Grapsch an zu schielen, dann standen ihm plötzlich die Haare zu Berge. Sogar sein Bart hob sich. Seine Ohren wurden blass, seine Nase färbte sich grün. Er wälzte sich vor der Höhle herum und heulte so laut, dass es durch den ganzen Wald hallte. Der alte Förster Emmerich, der mit seinem Hund am Waldrand entlangschlurfte, blieb stehen und sagte: „Hör dir das an, Karo. Ein Wolf hat sich in unser Juckener Ländchen verirrt. Das heißt, dass schlechte Zeiten kommen."
„Brich's raus!", rief Olli, die verzweifelt um den Räuber herumwieselte. „Übergib dich! Steck dir den Finger in den Hals!" Er versuchte es, aber er würgte nur.
„Dein Finger ist zu kurz!", schrie sie, lief in die Höhle, holte den Besen und rammte ihm den Besenstiel in den Schlund. Da spuckte er die zweite Portion der Fliegenpilze wieder aus. Aber die erste hatte er schon verdaut, und das Gift floss bereits durch seine Adern. Es machte, dass er zu toben begann. Er biss in die Tischplatte, er versuchte sich den Bart auszureißen und bohrte den Kopf in die Erde. Er hielt Olli für den Polizeihauptmann und einen Wacholderbusch für Olli. Schließlich fiel er ins Heu, wurde stocksteif und rührte sich nicht mehr.
Olli tat, was sie konnte. Sie machte ihm kalte und warme Umschläge - mal am Kopf, mal an den Füßen. Sie probierte es mit Packungen aus Morast, aus Fledermauskot, ja sogar aus Brombeermarmelade. Sie frottierte ihm die Ohren, sie beatmete ihn von Mund zu Mund, sie zog ihn an den Haaren, sie rieb mit einer Kartoffelreibe auf seinen Fußsohlen herum, massierte seinen Bauch, kitzelte ihn unter den Armen, goss einen Eimer Wasser über ihm aus und einen zweiten in seinen offenen Mund - alles umsonst. Er blieb steif und starrte mit weit offenen Augen an die Höhlendecke. Schließlich gab sie's auf. Sie setzte sich neben ihn ins Heu und begann zu weinen. Sie weinte herzzerreißend bis zum Morgen. Sobald es hell
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