Das große Buch vom Räuber Grapsch
„Wahrscheinlich ein Holzweiblein."
Hinter der scharfen Kurve sagte der zweite Polizist: „So spät? Es ist fast Mitternacht. Holzsucher kehren eigentlich heim, wenn's dunkel wird."
„Es hat sich sicher im Wald verirrt", meinte der Fahrer.
„Dann wäre es doch nicht eben von der Straße in den Wald gehuscht", gab der zweite Polizist zu bedenken. „Und es war auch ein verdammt großes Weiblein", sagte der dritte. „Geradezu ein Riesenweib! Lasst uns das doch mal näher betrachten."
Sie wendeten und fuhren zurück. Aber da war kein Holzweiblein mehr zu finden, so sehr sie auch fluchten und mit ihren Taschenlampen im Gebüsch herumsuchten.
Heimkehr mit voller Hose
Gegen Morgen kam Grapsch in seiner Höhle an. Olli empfing ihn mit einem Freudenschrei. „Ich dachte schon, sie hätten dich wieder erwischt und eingelocht, mein liebes Schnutzenzutzerle!", rief sie. „Warum bist du aber auch rauben gegangen? Du kannst es nicht lassen!"
Erst jetzt sah sie, dass er im Hemd dastand. Sie lachte schallend. Stolz zeigte er ihr die volle Hose, zog eine Salami daraus hervor, ließ Olli abbeißen und biss auch selber hinein. Dann leerte er die Hose aus, zog sie wieder an und machte sich auf den Weg, um auch die übrige Beute aus der Felsspalte heimzuholen. „Das hat doch Zeit, bis es hell wird", meinte Olli. „Nein", sagte er, beide Backen voll Salami, „spätestens zu Mittag haben wir die Polizei im Wald."
Als er schon fast am Sumpf war, rief ihm Olli nach: „Übrigens hat Quarka Schnupfen bekommen! Daran ist die feuchte Höhle schuld. Wir brauchen wirklich ein Haus - und zwar bald!"
„Unsinn!", rief Grapsch zurück. „Schon mein Vater und mein Großvater und alle meine Vorfahren sind in dieser Höhle -" Aber Olli unterbrach ihn: „Was gehen mich deine Vorfahren an? Es wird höchste Zeit, dass ihr Grapsche mal an die frische Luft kommt!"
Sie räumte die Beute in die zwölf Schubladen des riesengroßen Schranks. Wie schon so oft, versuchte sie auch die dreizehnte, die Geheimschublade, zu öffnen. Aber sie klemmte. Zweimal musste Grapsch zur Felsspalte laufen. Als er schwer bepackt vom zweiten Marsch zurückkam und das letzte Heringsfass in die Höhle rollte, hörte er die Polizeisirenen. „Endlich", sagte er. „Ich hab mich schon gewundert, wo sie bleiben. Mach das Feuer aus, Olli, sonst sieht man den Rauch."
Aber Olli lag matt im Laubhaufen. An ihrer Nase klebte Zucker. Wurstpellen und Heringsschwänze lagen rings um den Haufen verstreut. Und die Höhle roch nach Kaffee.
„Wundert dich das ?", ächzte sie. „Den ganzen Winter über hab ich nichts als Bucheckern, Haselnüsse und Brombeermarmelade zu essen gehabt. Jetzt hab ich mal gefressen!" „Das gibt Milch!", rief Grapsch fröhlich. „Freu dich, Quarka!" Quarka aber schien sich nicht zu freuen, denn sie brüllte. „Das hört man ja bis nach Juckenau!", rief Grapsch erschrocken. „Sie hat Schnupfen", sagte Olli. „Bau ein Haus, und sie ist still." Mit dem Rest des Kaffees, der im Kessel dampfte, löschte Grapsch das Feuer. Dann legte er Quarka auf Ollis Schoß. Olli schob sie zur
Brust hin und ließ sie saugen, während draußen im Wald, wie schon so oft, die Polizei die Sümpfe zu überqueren versuchte, um an die Räuberhöhle heranzukommen. Befehle hallten hin und her, Flüche warfen Echos, und als das Tatütata der Feuerwehr ertönte, sagte Grapsch zu Olli: „Da ist wieder jemand in den Sumpf geraten. Immer dasselbe. Ein Glück für uns, dass Tauwetter ist." Er setzte sich an den Höhleneingang und hörte dem Lärm im Wald gelassen zu. Ja, immer dasselbe: Auch diesmal musste die Feuerwehr ein paar Polizisten aus dem Sumpf ziehen. Sogar ein Jeep war in den Morast geraten. Und Hauptmann Stolzenrück brüllte herüber: „Warten Sie nur, wenn wir Sie kriegen, machen wir Sie zu Mus, Sie Schurke!"
„Habt mich erst mal", sagte Grapsch in seiner Höhle, rülpste lange und ergiebig und stocherte sich einen Fetzen Salami aus den Zähnen. Dann legte er sich neben Olli und Quarka, die schon schliefen.
„Nein", sagte er, bevor auch er einschlief, „ich baue kein Haus. Ein Haus fällt auf. Es ist schon von weitem zu sehen, und man kann es beschießen. Eine Höhle ist und bleibt für einen Räuber und seine Familie das sicherste Zuhause."
Danach fing er so laut an zu schnarchen, dass der alte Förster Emmerich, der durch den Wald schlurfte und eben den heimkehrenden Polizisten begegnet war, verwundert stehen blieb und zu seinem Hund sagte: „Wenn
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