Das große Doppelspiel
Oberst bestätigen kann. Ich habe die Zeit
gut genutzt, genau wie du mir gezeigt hast. Alle zwanzig
Aufnahmen.«
»Oh, das ist wirklich fabelhaft«, sagte Craig. »Finden Sie nicht auch, Priem?«
Priem seufzte. »Ich habe ja gesagt, Sie sind
eine bemer kenswerte Frau, Geneviève, nicht wahr? Hm
…« Er kam um den Schreibtisch herum. »Was geschieht
jetzt?«
»Wir nehmen den
Seiteneingang«, antwortete Craig. »Die Tür zur
Garderobe. Dann machen wir einen kleinen Spazier gang zum hinteren
Hof. Ich habe vorhin den Mercedes des Ge nerals dort gesehen. Er
wäre genau das Richtige.«
Priem wandte sich an Geneviève. »Sie
werden es nie schaf fen. Reichslinger hat heute nacht selbst Wache
am Tor.«
»Sie werden ihm sagen, daß der
Feldmarschall wichtige Pa piere vergessen hat«, sagte Craig.
»Wenn etwas schiefgeht, töte ich Sie, und wenn nicht ich,
dann tut sie es. Sie wird hinter uns im Wagen liegen.«
Priem verzog amüsiert das Gesicht. »Glauben
Sie, Sie bräch ten das fertig, Geneviève? Ich
möchte es bezweifeln.«
Ihr ging es ebenso. Schon bei dem Gedanken daran bekam
sie eine Gänsehaut, ihre Finger, die sie um den Kolben der Walther
gelegt hatte, zitterten, und ihre Handfläche war feucht von
Schweiß.
»Schluß mit dem Gequatsche«, sagte
Craig grob. »Setzen Sie Ihre Mütze auf, aber schön
gerade, und dann raus hier.«
Dann waren sie draußen und gingen über den
gepflasterten Hof hinter dem Schloß. Es war verblüffend
still, das Bauwerk ragte schwarz hinter ihnen auf. Nichts rührte
sich, und sie um klammerte den Kolben der Pistole in der rechten
Tasche der Jagdjacke fester.
Sie erreichten den Mercedes. Sie öffnete eine der
hinteren Türen und legte sich, so gut es ging, mit
bereitgehaltener Waffe auf den Boden zwischen Sitzbank und
Rückenlehnen der Vor dersitze. Priem setzte sich ans Steuer,
Craig auf den Beifahrer sitz. Sie redeten kein Wort. Der Motor
summte los, sie setzten sich in Bewegung. Kurz danach nahm Priem Tempo
weg und hielt an der Torschranke. Sie hörte, wie der Posten etwas
rief und dann, als er Haltung annahm: »Verzeihung,
Standartenfüh rer.«
Priem hatte kein Wort zu sagen brauchen.
Es quietschte lei se, als die Schranke hochgekurbelt wurde, und
dann rief plötz lich eine andere Stimme in scharfem Ton aus
dem Wachhaus. Reichslinger.
Geneviève hielt den Atem an, als seine Stiefel
auf dem Kies knirschten. Vielleicht hatte er Priem zuerst nicht
erkannt, denn außer der schwachen Birne in der Lampe am Wachhaus
gab es kein Licht. Er beugte sich zum Wagenfenster und sagte auf
deutsch etwas, das sie nicht verstehen konnte.
Priem redete mit ihm. Das einzige Wort, das sie
verstand, lautete Rommel, und das bedeutete wahrscheinlich, daß
er Craigs Anweisungen befolgte. Reichslinger antwortete. Eine kurze
Pause, und sie dachte schon, er entfernte sich, und blick te
vorsichtig hoch. Zu ihrem Entsetzen war sein Gesicht schräg
über ihr, denn er spähte durch das Seitenfenster in den
hinteren Teil des Wagens.
Als er zurücksprang und nach seiner Pistole
griff, hob Craig die Schmeisser und feuerte durchs Fenster, und ein
Regen von Glassplittern traf sie. Reichslinger taumelte wie in einem
irren Tanz zurück, und dann preßte Craig den Lauf gegen
Priems Hals. Sie rasten in die Nacht. Priem riß einige Male das
Steuer herum, während der Posten zu feuern begann. Dann ver
schluckte die Dunkelheit sie, und sie waren fort.
»Alles in Ordnung da hinten?« fragte Craig.
Auf ihrer rechten Wange war Blut, denn dort hatte ein
Split ter die Haut geritzt. Sie wischte es gleichgültig mit
dem linken Handrücken ab. Kein Schmerz, nur der kalte Luftzug
gegen das Gesicht und die Regentropfen, die durch das zerschmetterte
Fenster drangen.
»Ja, okay.«
»Braves Mädchen.«
Sie fuhren durch Dauvigne, das still wie
ein Friedhof dalag, und nahmen die Straße durch das hügelige
Land. »Zwecklose Übung«, bemerkte Priem. »Alle
Kommandoposten in kilome terweitem Umkreis sind bereits über
Funk alarmiert. Es wird keine Stunde dauern, und sie haben überall
Straßensperren er richtet.«
»Lange genug für uns«, erwiderte
Craig. »Fahren Sie ein fach weiter und tun Sie, was ich
sage.«
Hortense de Voincourt ruhte im Bett und lauschte dem
all gemeinen Aufruhr, der auf die Schüsse am Haupttor gefolgt
war. In der Eingangshalle ertönten laute Rufe, einen Moment
später kam jemand in Stiefeln den Korridor entlanggelaufen, und
dann wurde an die Tür gehämmert.
Weitere Kostenlose Bücher