Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
Immer einen Scherz auf den
Lippen und jeder Situation gewachsen. Er wäre ein guter
Schauspieler.«
    »Das stimmt«, bekräftigte Hare, als
sie ihm einen Becher reichte. »Ist Ihnen aber schon mal
aufgefallen, daß er überra­ schend wenig lächelt?
Manchmal ist Humor nur eine Tarnung für Schmerz. Juden wissen mehr
darüber als irgendein anderes Volk auf der Welt.«
    »Ich verstehe«, sagte sie.
    »Schmidt hatte zum Beispiel eine
Cousine, die er anbetete. Ein sehr nettes jüdisches Mädchen
aus Hamburg, das ein paar Jahre bei ihm und seiner Familie in London
lebte. Kurz vor dem Krieg fuhr sie zurück nach Hamburg, weil ihre
verwitwete Mutter unerwartet gestorben war. Sie versuchten, sie davon
abzubringen. Sie war immer noch deutsche Staatsbürgerin, verstehen
Sie. Sie kam ohnehin zu spät zur Beerdigung, aber es waren
Familienangelegenheiten zu regeln … Und außerdem glaubte
kein Mensch in England so recht an die Geschichten, die erzählt
wurden.«
    »Und was ist passiert?«
    »Schmidt bestand darauf, mit ihr zu fahren. Sie
wurden bei­ de von der Gestapo festgenommen. Der britische Konsul
in Hamburg holte ihn natürlich heraus, da er britischer
Bürger war. Er mußte das Land binnen achtundvierzig Stunden
verlas­ sen.«
    »Und seine Cousine?«
    »Er zog dann Erkundigungen ein. Sie war ein
hübsches blondes Mädchen. Offenbar wurde sie trotz der
Tatsache, daß sexuelle Beziehungen zu Juden verboten waren, in
ein Trup­ penbordell gesteckt. Als letztes erfuhr er, daß sie
einen Zug bestiegen hatte, der zur östlichen Grenze fuhr, kurz vor
der Invasion Polens.«
    »Wie furchtbar«, sagte sie entsetzt.
    »So ist es dort drüben, Geneviève.
Lassen Sie mich erzählen, wie die Gestapo arbeitet.«
    »Ich weiß es«, entgegnete sie. »Ich habe Craigs Fingernägel gesehen.«
    »Wissen Sie, wie sie weibliche Agenten zum Reden
brin­ gen? Keine heißen Bügeleisen, keine Peitschen,
keine Kneif­ zangen. Mehrfache Vergewaltigung. Einer nach dem
anderen, dann kommt wieder der erste dran. Ja, abscheulich, aber
unge­ heuer wirksam.«
    Geneviève dachte an Anne-Marie und sagte: »O ja, ich kann es mir nur zu gut vorstellen.«
    »Hm, ich wollte, ich hätte
meinen verdammten Mund gehal­ ten.« Hare sah sie besorgt an.
»Ich hatte Ihre Schwester ganz vergessen.«
    »Sie wissen davon?«
    »Ja. Munro hat es mir gesagt. Er hielt es
für das Beste, wenn ich über alles informiert
wäre.«
    Sie holte die Gitanes aus der Tasche und nahm eine.
»Ich nehme an, ich darf mich einfach nicht unterkriegen
lassen.«
    »Nicht ganz der richtige Ausdruck für einen Fliegeroffizier.«
    »Wie bitte?« fragte Geneviève, während das Feuerzeug in ihrer Hand aufblitzte.
    »Alle Agentinnen, die im Feld dienen, werden als
Offiziere hingeschickt. Französinnen werden meist in den Dienst
des Frauenhilfskorps gestellt. Viele englische Mädchen treten
offi­ ziell der weiblichen Lazaretttruppe bei.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Aber Munro zieht es vor, sie straffer am
Zügel zu haben. Soweit ich weiß, haben Sie gestern ein
Patent als Offizierin der Frauenhilfstruppe der Luftwaffe bekommen. Das
Blau der RAF wird Ihnen sicher sehr gut stehen, falls Sie je eine
Chance be­ kommen, die Uniform anzuziehen.«
    »Er hat mir kein Wort davon gesagt.«
    »Munro?« Hare zuckte mit den Schultern.
»Ein unberechen­ barer alter Fuchs, aber seine
Unberechenbarkeit hat Methode. Erstens kann Ihnen Ihr Offiziersrang
helfen, falls Sie in die Hand des Gegners fallen.«
    »Und zweitens?«
    »Es verschafft ihm persönliche Kontrolle
über Sie. Wenn Sie in Kriegszeiten einen Befehl nicht befolgen,
könnten Sie er­ schossen werden.«
    »Es kommt mir manchmal so vor, als hätte es nie eine andere Zeit gegeben«, sagte sie.
    »Das Gefühl kenne ich.«
    Die Tür ging auf, und Craig kam herein. »Na, wie läuft es?«
    »Prächtig«, antwortete Hare.
»Wir sind im Zeitplan.« Er wandte sich an Geneviève.
»An Ihrer Stelle würde ich jetzt runtergehen. Versuchen Sie,
ein bißchen zu schlafen. Gehen Sie in meine Kabine.«
    »In Ordnung, das werde ich tun.«
    Sie trat hinaus, kletterte die Leiter hinunter,
balancierte über das schwankende Deck und ging hinunter in Hares
winzige Kabine. Die Koje war so klein, daß sie sich kaum
ausstrecken konnte, und so lag sie dort mit leicht angezogenen Beinen
und starrte zur Decke. Es war so vieles geschehen, und alles
wirbel­ te nun in ihrem Kopf herum, aber sie schlief dennoch nach
we­ nigen Minuten ein.

    Vor der Küste von Finistère hingen

Weitere Kostenlose Bücher