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Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Sie
aussehen«, sagte er. »Waren Sie übrigens jemals in
Oxford?«
    »Nein.«
    »Norfolk?«
    »Ich fürchte, nein.«
    Sie fuhren über eine Hügelkuppe, und im
selben Augenblick teilten sich die Wolken, und der Mond war wieder zu
sehen. In seinem Schein konnte sie im Tal unter ihnen eine Ansammlung
von Häusern erkennen – das mußte Saint-Maurice sein.
    »Schade«, sagte er. »Ich habe
früher oft dort oben gejagt. Bei Sandringham, wo der König
sein Sommerschloß hat. Wun­ derschön da.«
    »Sehnen Sie sich danach zurück?«
    »Nicht wirklich. Ich tue nur so, um mich in
Schwung zu hal­ ten. Ich meine, was sollte ich ohne all das hier
machen? Schnuppern Sie mal an mir. Schön, nicht? Zurück zur
Natur, das ist es, was es bedeutet.«
    »Was haben Sie denn früher gemacht?«
    »Sie meinen, vor dem Krieg? Da hab’ ich an einem
ziemlich zweitklassigen Internat englische Literatur
unterrichtet.«
    »Macht Ihnen diese Arbeit hier Spaß?«
    »O ja, es ist fast so lustig wie
bei den Pfadfindern. Die schlimmsten Wunden im Leben werden von
zerdrückten Ro­ senblättern verursacht und nicht von
Dornen, Miss Trevaunce. Würden Sie das nicht auch sagen?«
    »Ich bin nicht mal sicher, ob ich es verstehe.«
    »Das haben meine Schüler auch immer
gesagt.« Sie hatten nun das Dorf erreicht, und er fuhr langsamer.
    Sie bogen in ein massives Tor, und der Laster rollte
klap­ pernd über einen gepflasterten Hof zu dem Haus in der
Ecke. Eine Tür wurde geöffnet, jemand spähte hinaus.
René stieg aus, und Geneviève folgte ihm.
    »Vielen Dank«, sagte sie.
    »Wir bemühen uns immer, unsere Kunden
zufriedenzustel­ len.« Der Große Pierre lächelte
auf sie hinunter. »Zerdrückte Rosenblätter. Denken Sie
darüber nach.«
    Er setzte zurück und wendete und fuhr fort. Sie drehte sich um und folgte René ins Haus.

    Sie saß in einem kleinen Schlafzimmer vor dem
Spiegel, und auf dem Bett lagen Anne-Maries geöffnete Koffer, ihre
offene Handtasche und daneben ihre Papiere, der französische
Aus­ weis, der deutsche Passierschein, Lebensmittelmarken, ein
Führerschein. Sie trug gerade sorgfältig Wimperntusche auf,
als die Tür aufging und Madame Dubois hereinkam. Sie war eine
kleine, abgehärmt wirkende Frau mit einem dunklen Teint und trug
ein schäbiges graues Kleid. Ihre Strümpfe hatten Lö­
cher, und ihre Schuhe sahen aus, als würden sie sich jeden Moment
in ihre Bestandteile auflösen.
    Sie war nicht mit dem einverstanden, was in ihrem Haus
vor sich ging, das konnte Geneviève an ihrem Gesicht sehen, und
sie preßte mißbilligend die Lippen zusammen, als sie die
Sa­ chen erblickte, die auf dem Bett ausgebreitet waren, das
mari­ neblaue Pariser Kostüm mit dem plissierten Rock, die
seidenen Strümpfe, die cremefarbene Satinbluse.
    Ihr fiel ein, wer sie sein sollte, und
sie sagte scharf: »Das nächstemal klopfen Sie bitte, ehe Sie
hereinkommen. Was wol­ len Sie?«
    Madame Dubois zuckte mit den Schultern, als wollte sie
sich verteidigen. »Der Zug, Mademoiselle. Er ist eben
eingefahren. Mein Mann hat mich geschickt, ich soll es Ihnen
sagen.«
    »Gut. Sagen Sie René, er soll den Wagen holen. Ich komme gleich runter.«
    Die Frau ging. Geneviève trug ein wenig
Lippenrot auf, zö­ gerte, trug dann mehr auf, denn sie
erinnerte sich daran, was Michael, der Friseur, in Cold Harbour zu ihr
gesagt hatte. Sie zog sich rasch an, Unterwäsche, Strümpfe,
Bluse, Rock – alles Sachen von Anne-Marie. Mit jedem Stück,
das sie anzog, war ihr, als schälte sie eine Schicht von sich ab.
    Sie hatte keine Angst, als sie die Kostümjacke
anzog und sich im Spiegel musterte, sie war vielmehr auf eine sonderbar
losgelöste Weise aufgeregt. Die Wahrheit war, daß sie
wirklich ausgesprochen gut aussah, und sie wußte es. Sie
schloß den Koffer, legte sich den weiten blauen Tuchmantel
über die Schultern und ging hinaus.
    Henri Dubois war bei seiner Frau in der Küche. Er
war ein kleiner Mann mit eingefallenen Zügen, sehr unscheinbar
wir­ kend, nach seinem ganzen Habitus der letzte Mensch, bei dem
man auf den Gedanken käme, er kämpfte in der
Résistance gegen die deutschen Besatzer.
    »René holt das Auto heraus, Mademoiselle.«
    Sie nahm das Etui aus Silber und Onyx aus der Handtasche und zündete sich eine Gitane an.
    »Bringen Sie das Gepäck runter.«
    »Sehr wohl, Mademoiselle.«
    Der Rolls-Royce kam aus einem
Lagerschuppen und fuhr zur Tür. René stieg aus, und sie
trat auf die Schwelle. Er stand, nun in seiner Chauffeurslivree,

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