Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
seinem bloßen
Anblick.
    Als sie der schmalen Landstraße folgten, die
für ein kurzes Stück von Tannen gesäumt wurde,
verschwand es, aber dann war es wieder da, einige Dutzend Meter
höher als sie, eine Fe­ stung hinter grauen Mauern, die wie
früher auf sie wartete.

    Das Tor war offen, aber der Weg wurde von einer
Schranke versperrt. Gleich hinter dem rechten Torpfeiler stand nun ein
rohgezimmertes Wachhaus, und daneben hielt ein Posten mit einer
Maschinenpistole Wache. Er war noch ein Junge, trotz der SS-Uniform. Er
beugte sich zum Fenster und fragte in stockendem Französisch:
»Papiere?«
    »Ich wohne hier!« entgegnete sie, und er sah sie verwirrt an. »Kennen Sie mich nicht?«
    »Entschuldigen Sie bitte, Mademoiselle, aber ich habe aus­
    drücklichen Befehl. Ich muß Ihren Ausweis sehen.«
    »Meinetwegen«, sagte sie. »Ich
gestehe. Ich bin eine briti­ sche Agentin und will das Schloß
in die Luft sprengen.«
    Eine feste Stimme sagte etwas auf deutsch. Sie
verstand kein Wort, aber der Posten reagierte, indem er sich hastig in
Bewe­ gung setzte und die Schranke hob. Sie wandte sich zu dem
Mann, der aus dem Wachhaus getreten war, den Standartenfüh­
rer mit dem Ritterkreuz um den Hals und der Schirmmütze, an der
der Totenkopf blitzte. Eines stand fest. Sie brauchte René
nicht, um zu wissen, wer das war.
    »Max, wie schön.«
    Max Priem öffnete die Tür und stieg ein.
»Fahren Sie wei­ ter«, sagte er zu René. Dann
wandte er sich an sie: »Der Junge ist erst drei Tage hier,
müssen Sie wissen.« Er küßte ihre Hand.
»Ich werde nie begreifen, warum es Ihnen soviel Vergnügen
bereitet, meine Leute durcheinanderzubringen. Es ist schlecht für
die Moral. Reichslinger ist manchmal sehr aufgebracht dar­
über.«
    »Im Moment bestimmt nicht«, bemerkte sie. »Im Moment hat er andere Sorgen.«
    Seine klaren blauen Augen musterten sie plötzlich
sehr scharf. »Könnten Sie das bitte näher
erklären?«
    »Sein Wagen hatte bei Pougeot irgendeine Panne. Ich habe ihn mitgenommen.«
    »Ja? Ich sehe ihn aber nirgends.«
    »Ich habe ihn hinter Dauvigne raussetzen
müssen. Ich weiß nicht, wo er seine Ausbildung bekommen hat,
aber man hat offenbar vergessen, ihm beizubringen, wie er sich Damen
ge­ genüber zu benehmen hat.«
    Sein Mund lächelte, aber seine Augen
nicht. »Und er ist oh­ ne weiteres ausgestiegen?
Reichslinger? Ist es das, was Sie mir sagen wollen?«
    »Mit ein bißchen Nachdruck von meiner Freundin hier.«
    Sie holte die Walther aus der Tasche, und er nahm sie
ihr ab. »Sie ist aus Beständen der deutschen Wehrmacht.
Woher ha­ ben Sie sie?«
    »Ein freundlicher Barkeeper in Paris. Diese
Dinger sind auf dem Schwarzen Markt leicht zu bekommen, und ein
Mädchen braucht heutzutage jeden Schutz, den es finden
kann.«
    »In Paris, sagen Sie?«
    »Sie werden doch jetzt nicht verlangen, daß ich Ihnen den Namen des Lokals sage?«
    Er wog die Pistole einen Augenblick lang in der Hand
und gab sie ihr dann zurück, und sie steckte sie in ihre
Handtasche.
    »Sie hatten also eine angenehme Reise?« sagte er.
    »Nicht wirklich. Paris ist nicht mehr das, was es war.«
    »Und die Eisenbahnfahrt?«
    »Eine Strapaze.«
    »Ach wirklich?«
    Seine Stimme hatte irgendeinen ironischen Unterton,
und sie war aus dem Konzept gebracht, ohne den Grund zu wissen, und
blickte ihn unter halbgeschlossenen Lidern hervor rasch von der Seite
an. Sie hielten am Fuß der Eingangstreppe. Er half ihr aus dem
Wagen, und René ging zum Kofferraum und nahm ihr Gepäck
heraus.
    »Ich werde die Koffer tragen«, sagte Priem.
    »Heute übertreiben Sie
aber«, sagte sie zu ihm. »Ein Stan­ dartenführer
mit einem Koffer in jeder Hand, wie ein Hotelpor­ tier? Schade,
daß ich keinen Fotoapparat dabeihabe. Das wird mir in Paris kein
Mensch glauben. Übrigens, mein Glück­ wunsch zur
Beförderung.«
    »Wir haben mehrere Wahlsprüche«,
antwortete er. »Einer davon lautet, daß für die
Männer von der SS nichts unmöglich ist.«
    Er ging die Stufen hinauf. René sagte laut:
»Werden Sie mich noch brauchen, Mademoiselle?« Und
flüsterte: »Denken Sie daran, das rosa Zimmer ist ihr
Schlafzimmer. Die Gräfin ist nebenan.«
    Die Hilfe war überflüssig, denn sie hatten
den Grundriß der einzelnen Stockwerke des Schlosses in Cold
Harbour sehr gründlich studiert. Sie konnte sehen, daß er
nun ein wenig Angst hatte. Seine Stirn glänzte von Schweiß.
    Sie sagte: »Nein, danke, René«, drehte sich um und folgte Priem die Stufen hinauf.
    An jeder

Weitere Kostenlose Bücher