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Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Seite der Tür stand ein Posten, aber die
Halle war genauso, wie sie sie in Erinnerung hatte, nichts fehlte, die
Bil­ der an den Wänden waren noch die alten. Sie gingen
nebenein­ ander die breite Marmortreppe hoch.
    Sie sagte: »Wie geht es dem General?«
    »Sein schlimmes Bein ist ein bißchen
steif. Es hat in letzter Zeit zuviel geregnet. Ich habe ihn vorhin im
Garten Spazieren­ gehen sehen.«
    Sie erreichten den zweiten Stock. Sie blieb vor dem
rosa Zimmer stehen und wartete. Er seufzte, stellte einen Koffer ab und
öffnete die Tür.
    Sie hatte als Kind oft hier geschlafen. Es war ein
heller, freundlicher Raum mit einem schönen Balkon, auf den zwei
Fenstertüren führten. Die Einrichtung, das Bett, der
Nachttisch und der Schrank aus poliertem Mahagoni, war
unverändert, und an den Fenstern hingen noch dieselben dunkelroten
Samt­ vorhänge. Alles wie früher.
    Priem stieß die Tür zu, ging durchs Zimmer, legte die Koffer
    aufs Bett und drehte sich dann um. Er lächelte ganz leicht, fest verhalten, und blickte seltsam erwartungsvoll.
    »Nun?« sagte sie.
    »Ich lasse Sie jetzt am besten allein.« Er
lächelte. »Arme Anne-Marie. War es wirklich so schlimm in
Paris?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Dann werden wir versuchen, Sie zu
entschädigen.« Er schlug die Hacken zusammen. »Aber
die Pflicht ruft. Wir se­ hen uns dann später.«
    Sie empfand eine ungeheure Erleichterung, als die
Tür hinter ihm ins Schloß gefallen war. Sie warf den Mantel
aufs Bett, öffnete eine Tür und trat hinaus auf den Balkon.
Von hier sah man nur einen Teil des Gartens. Das Schloßportal war
rechts, der Balkon ihrer Tante lag um die Ecke.
    Ihr Blick fiel auf den alten handgeschnitzten
Schaukelstuhl aus Buchenholz, den sie so gut kannte. Sie setzte sich
darauf, schaukelte leicht vor und zurück und ließ sich die
Sonne ins Gesicht scheinen. Wie oft Anne-Marie das wohl getan hatte?

    Priem ging den Korridor entlang und blieb oben an der
Marmortreppe stehen, da er hörte, wie die SS-Posten am Portal
draußen salutierend die Hacken zusammenschlugen. Einen Moment
später kam Reichslinger in die Halle.
    »Reichslinger!« rief er.
    »Standartenführer?« Reichslinger schaute zu ihm hoch.
    »Gehen Sie in mein Büro. Sofort.«
    Reichslinger wirkte gehetzt, als er durch
die Halle eilte und im Korridor zu den Büros verschwand. Priem
ging langsam die Stufen hinunter, blieb unten stehen, um sich eine
Zigarette an­ zuzünden, und schritt dann durch die Halle. Als
er sein Büro betrat, stand der junge Hauptsturmführer an
seinem Schreib­ tisch. Priem machte die Tür zu.
    »Wie ich höre, haben Sie sich wieder danebenbenommen?«
    Reichslinger sah ihn trotzig an. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Mademoiselle Trevaunce. Ich bekomme langsam den
Ein­ druck, daß Sie sich nicht genug Mühe geben, Damen
höflich zu behandeln.«
    »Sie hatte eine Pistole, Standartenführer. Eine Walther.«
    »Und Sie haben sie provoziert, sie zu benutzen?«
    »Sie wissen sehr wohl, daß Zivilisten, die
im Besitz einer Waffe gefunden werden, die Todesstrafe droht,
Standartenfüh­ rer.«
    »Reichslinger«, sagte Priem geduldig.
»Hier greifen viele Dinge ineinander. Dinge, von denen Sie nichts
verstehen. Mit anderen Worten: Kümmern Sie sich um Ihre eigenen
Angele­ genheiten.«
    Unfähig, seinen Zorn zu bändigen, zischte
Reichslinger: »Daß diese Trevaunce in Ihre
Zuständigkeit fällt, verstehe ich nur zu gut,
Standartenführer.«
    Priem schien zu erstarren, sein Blick wurde leer, und
Reichs­ linger bekam plötzlich Angst. Der
Standartenführer trat zu ihm und machte mit einer langsamen, fast
fürsorglichen Geste einen Knopf an Reichslingers Rock zu.
    »Unbedacht, Reichslinger. Ich fürchte, ich
muß etwas unter­ nehmen. Ich kann nicht zulassen, daß
einer meiner Offiziere den Männern ein schlechtes Beispiel
gibt.« Er ging um den Schreibtisch und nahm ein Dokument aus dem
Korb für einge­ gangene Post. »Eine Depesche aus Berlin.
Ziemlich deprimie­ rend. Die SS-Bataillone in Rußland
brauchen unbedingt mehr Offiziere. Man fragt an, ob wir jemanden
erübrigen können.«
    Reichslinger fühlte, wie seine Kehle trocken wurde.
    »Standartenführer?« flüsterte er.
    »Ein uninteressanter Einsatz, zumal die
Streitkräfte dort überall im Rückzug begriffen
sind.«
    Reichslinger sagte: »Ich bitte um Entschuldigung, ich hatte nicht die Absicht …«
    »Ich weiß genau, welche Absicht Sie
hatten.« Priem sah ihn durchbohrend an. »Wenn Sie noch ein
einziges Mal

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