Das große Doppelspiel
außer ordentlich unangenehm.«
»Ich verstehe sehr gut, General. Ich werde mein Bestes tun.«
»Ich möchte ihr auf keinen Fall
ausdrücklich befehlen, dabei zu sein … Ich hätte sogar
Angst davor, das zu tun«, fügte er freimütig hinzu.
»Sie waren damals nicht hier, aber an dem Tag, als Priem und ich
hier eintrafen … Mein Gott, sie hat es uns nicht leicht gemacht.
Nicht wahr, Priem?«
»Ich habe mich sofort in sie verliebt«, sagte der Standarten führer.
»Das pflegen viele Leute zu tun«, erwiderte Geneviève.
Sie fand sein Lächeln so verwirrend, daß
ihr Herz schneller schlug, wenn die durchdringend blickenden blauen
Augen sie musterten, und sie den Blick abwenden mußte. Sie hatte
das eigenartige und beunruhigende Gefühl, daß er bis in ihr
Inner stes sehen konnte.
Der General sprach weiter: »Soweit ich mich
erinnere, waren Sie gerade im Dorf, als wir kamen. Ihre Tante hat uns
eine ganze Weile die Tore verschlossen. Als wir endlich ins
Schloß traten, waren da einige auffallend helle Stellen an den
Wän den.«
»Haben Sie mal im Keller nachgeschaut?«
Er lachte fröhlich und war den Rest der Mahlzeit
bester Stimmung. Bei Geneviève machte sich die Belastung ihrer
Rol le bemerkbar, und sie merkte, daß sie sich zusehends
ver krampfte.
»Kaffee im Salon, denke ich«, sagte Ziemke schließlich.
Alle erhoben sich, und in dem momentanen Durcheinander
stellte sie fest, daß Priem unmittelbar neben ihr stand.
»Könnte ich kurz mit Ihnen reden?«
Priem war entschieden jemand, dem sie aus dem Weg
gehen mußte, wenigstens im Augenblick. »Vielleicht ein
andermal«, antwortete sie schnippisch und trat zu dem General.
»Meine Liebe, ich möchte Sie mit einem
Landsmann von Ih nen bekannt machen, der jetzt bei der Brigade
Charlemagne der SS dient und uns heute einige wichtige Depeschen
überbracht hat«, sagte er.
Der Offizier machte eine Verbeugung. Sie
sah das Abzei chen auf seiner Manschette, die Trikolore auf seinem
linken Ärmel, als er lächelte und ihre Hand an seine Lippen
führte, wie nur ein Franzose es konnte. Er war blond und
blauäugig, sah mehr wie ein Deutscher aus als irgendeiner der
Anwesen den, ein unglaublicher Kontrast zu dem ein paar Schritte
weiter stehenden Max Priem.
»Enchanté«, sagte er, und
sie registrierte, wie gut die Uni form ihm stand, und fragte sich,
was wohl geschehen würde, wenn die Résistance ihn jemals
allein in einer dunklen Straße erwischen würde, diesen
Franzosen, der bei der SS diente.
Ziemke bugsierte sie aus dem Zimmer, durch eine der
Fen stertüren auf die Terrasse. »Das ist besser«,
sagte er. »Frische Luft. Eine Zigarette?«
Während sie sie nahm, sagte sie: »Sie
scheinen sich Sorgen über diese Konferenz zu machen. Ist sie so
wichtig?«
»Rommel persönlich, meine Liebe. Was erwarten Sie?«
»Nein, es ist mehr als das«, sagte
Geneviève. »Sie stimmen nicht mit ihnen überein
– nicht mehr. Ist es nicht das?«
»Sie machen es zu kompliziert«, antwortete
er. »Wir werden über Verteidigungsmaßnahmen sprechen,
und ich weiß, was die meisten von den anderen denken.«
Dies war natürlich genau die Art von
Gespräch, die zu füh ren – oder zu hören
– sie gekommen war. »Und Sie stimmen nicht mit ihnen
überein?«
»In der Tat.«
»Aber es ist doch sicher nur eine vorläufige Besprechung?«
»Ja, aber die Ergebnisse werden mehr oder
weniger darüber entscheiden, was wir tun. Es sei denn, der
Führer beschließt plötzlich, alles
umzustoßen.«
»Er hat sie soweit gebracht«, bemerkte sie leichthin.
»Wir werden den Krieg verlieren.«
Sie griff nach seiner Hand. »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht zu laut sagen.«
Er hielt ihre Hand und starrte, offenbar
in seinen Gedanken verloren, über den dunklen Garten und den Park
hinaus. Es störte sie nicht, das war das Sonderbare. Er war ein
guter, freundlicher Mensch, und er war unglücklich, und sie mochte
ihn, und das hatte gar nicht zu dem Plan gehört. Sie hörte
Schritte und entzog ihm ihre Hand.
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie störe, Herr
General«, sagte Max Priem, »aber da ist ein Anruf aus
Paris.«
Der General nickte langsam. »Ja, ich
komme.« Er küßte ihre Hand und wandte sich mit einem
»Gute Nacht, meine Liebe« um und ging zurück in den
Salon.
Max Priem trat zur Seite.
»Fräulein Trevaunce«, sagte er steif. Sie bemerkte den
spöttischen Ausdruck in seinen Augen und noch etwas anderes,
Merkwürdiges: Zorn.
12
Sie schlief fest und
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