Das große Doppelspiel
sinken.
Sie sagte: »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, es ist nichts.« Er lächelte
verzerrt und holte ein sil bernes Etui aus der Tasche.
»Zigarette?«
»Sie sind in Rußland verwundet worden?« sagte sie.
»Ja.«
»Ich habe gehört, daß es dort im Winterkrieg sehr schlimm gewesen ist.«
»Ich denke, man kann sagen, daß es eine unvergeßliche Er fahrung war.«
»Reichslinger und die anderen – Sie scheinen wie in anderen Welten zu leben. Sie sind …«
»Ein Deutscher, dessen Land Krieg
führt«, sagte er. »Es ist im Grunde ganz einfach.
Vielleicht bedauerlich, aber sehr ein fach.«
»Sie haben wohl recht.«
Er seufzte, und sein Ausdruck wurde weicher. »Ich habe den Regen schon als Kind geliebt.«
»Ich auch«, sagte sie.
Er lächelte. »Gut, dann haben wir ja doch etwas gemein sam.«
Während der Regen immer heftiger wurde,
saßen sie da und warteten auf Hortense, und ihre Tante hatte wie
immer recht gehabt, denn sie war ihr Leben lang noch nie so
aufgewühlt gewesen.
Craig Osbourne läutete an Munros Haustür am
Haston Place in London. Als die Tür aufging, eilte er hinauf und
sah, daß Jack Carter ihn bereits oben auf dem Treppenabsatz
erwartete.
»Ist er da, Jack?«
»Ich fürchte, nein. Sie haben ihn ins
Kriegsministerium zi tiert. Gut, daß Sie da sind. Ich wollte
gerade die Bluthunde auf Ihre Fährte hetzen. Ihre Leute von OSS
haben versucht, Sie zu erreichen.«
»Warum?«
»Na ja, sie haben festgestellt,
daß Sie nie abschließend über die Affäre
Diederichs berichtet haben. Sie sind sauer auf Mun ro, weil er
sich in einem fort auf Eisenhower beruft, aber gleichzeitig sind sie
sehr damit zufrieden, wie Sie die Sache gedeichselt haben. Ich nehme
an, eine neue Auszeichnung ist bereits unterwegs.«
»Ich hab’ schon eine«, sagte Craig trocken.
»Ja, hm, seien Sie trotzdem ein braver Junge und
fahren Sie rüber zum Cadogan Place, um sie bei Laune zu halten.
Übri gens, was wollen Sie von Munro?«
»Ich habe Geneviève versprochen, ein Auge
auf ihre Schwe ster zu haben. Ich dachte, ich schaue mal schnell
in der Klinik vorbei, aber die Posten haben mich nicht
reingelassen.«
»Ja, nun, die Sicherheit ist aus mehreren
Gründen verstärkt worden«, antwortete Carter
lächelnd. »Ich werde Baum anru fen und ihm sagen,
daß er Sie empfangen soll.«
»Gut«, sagte Craig. »Dann seh’ ich
am besten mal nach, was im OSS-Hauptquartier los ist.« Damit
drehte er sich um und eilte die Treppe hinunter.
In einem Spionagefilm, den Geneviève einmal
gesehen hatte, hatte sich der Held ein Haar ausgerissen und es
über den obe ren Rand einer Tür gelegt, damit er
später prüfen konnte, ob jemand sein Zimmer betreten hatte.
Sie hatte die gleiche List bei zwei Schubladen ihrer Frisierkommode
angewendet. Als sie von der Kirche zurückgekommen war, prüfte
sie als erstes die Schubladen. Sie waren beide geöffnet worden.
Maresa war nicht da, denn sie hatte ihr vorhin, ehe
sie fort gefahren waren, gesagt, sie würde sie erst wieder
vor dem Mit tagessen brauchen, und so setzte sie sich hin,
zündete eine Zi garette an und überlegte, ehe sie das
Zimmer wieder verließ und Priem suchte. Sie fand ihn in der
Bibliothek an seinem Schreibtisch, wo er zusammen mit dem neben ihm
stehenden Reichslinger eine Liste oder eine Aufstellung durchging.
Sie sahen beide auf. Sie sagte:
»Jetzt platzt mir wirklich der Kragen, Standartenführer.
Daß Ihre Sicherheitsleute unsere Privatzimmer dann und wann
filzen, ist wohl leider eine Tatsa che, mit der man sich abfinden
muß. Ich kann mich aber auf keinen Fall damit abfinden, daß
plötzlich ein Paar sehr wertvol le Brillantohrringe
verschwunden ist, ein Familienerbstück. Ich wäre Ihnen sehr
dankbar, wenn Sie dafür sorgten, daß es mir
zurückgegeben wird.«
»Ihr Zimmer ist durchsucht worden?« sagte Priem gelassen. »Wieso sind Sie so sicher?«
»Oh, aus mehreren Gründen. Gewisse Dinge
sind nicht mehr so, wie ich sie zurückgelassen habe – und
dann natürlich die Ohrringe.«
»Vielleicht hat Ihre Zofe aufgeräumt. Haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
»Das ging nicht«, sagte Geneviève
ungeduldig. »Ich habe ihr den Vormittag freigegeben, bevor wir
zur Kirche gefahren sind.«
Er sagte zu Reichslinger: »Wissen Sie etwas darüber?«
Reichslinger war blaß geworden. »Nein, Standartenführer.«
Priem nickte. »Es wäre ja auch undenkbar,
daß Sie hier et was ohne meine ausdrückliche Anweisung
durchsuchen lie
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