Das große Doppelspiel
ßen.«
Reichslinger blieb stumm. Geneviève sagte: »Nun?«
»Ich werde mich darum kümmern«, antwortete Priem, »und dann gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Danke.« Sie wandte sich um und schritt schnell hinaus.
Priem zündete sich eine Zigarette an und sah zu Reichslinger auf. »Hm.«
»Standartenführer?« Reichslinger standen nun winzige Schweißtropfen auf der Stirn.
»Die Wahrheit, Mann. Ich gebe Ihnen fünf Sekunden, mehr nicht. Ich habe Sie gewarnt.«
»Standartenführer, hören Sie mich an. Ich habe nur meine
Pflicht getan. Die Walther … ich habe mir Sorgen gemacht. Ich dachte, es gäbe vielleicht noch andere Dinge.«
»Also zwingen Sie die Zofe von Mademoiselle
Trevaunce, das Zimmer ihrer Herrin zu durchsuchen, und die dumme Gans
kommt dabei in Versuchung? Sehr hilfreich, Reichslinger. Sie werden mir
sicher zustimmen.«
»Was soll ich sagen, Standartenführer …«
»Nichts«, sagte Priem müde. »Suchen Sie diese Maresa und bringen Sie sie her.«
Geneviève saß in ihrem Zimmer an der
offenen Tür zum Balkon und wartete und versuchte, die Zeit mit
Lesen herum zubringen. Hortense sollte auch diesmal recht
behalten, denn kaum eine Stunde nach ihrem Besuch in der Bibliothek
klopfte es, und Priem kam herein.
»Haben Sie einen Moment Zeit?« Er kam
durch das Zimmer, hielt die Ohrringe hoch und ließ sie in ihren
Schoß fallen.
»Wer?« fragte sie.
»Ihre Zofe. Wie Sie sehen, hatte ich recht.«
»Die undankbare kleine Schlampe. Sind Sie auch sicher?«
»Ich fürchte, ja«, sagte er ruhig,
und sie fragte sich, was zwi schen ihm und Reichslinger
vorgefallen sein mochte.
»Dann wird sie zu ihrer Mutter zurück müssen. Und auf dem Feld arbeiten.«
»Ich würde sagen, es war nicht vorbedacht,
sondern eher … impulsiv. Ein Mädchen vom Land, das seine
Unschuld auch dann noch beteuerte, als ich die Ohrringe in ihrem Zimmer
fand. Sie konnte jedenfalls kaum gehofft haben, nicht ertappt zu
werden.«
»Sie meinen, ich sollte ihr eine Chance geben?«
»Dazu würde ein bißchen Erbarmen gehören, eine Tugend,
die in diesen harten Zeiten sehr knapp ist.« Priem schaute
über den Balkon hinaus. »Wirklich, man hat einen sehr
schönen Blick von hier. Ich war mir dessen nie
bewußt.«
»Ja«, sagte Geneviève.
Er lächelte. »Hm. Es ist noch eine Menge zu
tun, wenn wir morgen für den Besuch des Feldmarschalls
gerüstet sein wol len. Sie entschuldigen mich bitte.«
»Natürlich.«
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Sie
wartete einige Minu ten, dann verließ sie ebenfalls rasch
das Zimmer.
»Maresa hat ein Verhältnis mit einem der
Soldaten«, sagte Hortense. »Das heißt, Chantal
behauptet es steif und fest.« Sie sah ihre grimmige alte Zofe an.
»Sie können sie jetzt holen.«
»Hat das etwas zu bedeuten?« fragte Geneviève.
Hortense erlaubte sich ein feines Lächeln.
»Maresas Soldat ist für heute und morgen abend außer
der Reihe zum Wach dienst auf der Terrasse vor der Bibliothek
eingeteilt worden, und das paßt ihr nicht. Ich glaube, sie denkt,
du seist dafür ver antwortlich.«
Geneviève sah sie an, ohne zu verstehen. »Und?« sagte sie.
»Der Soldat, der am Tor war, als du
kamst«, erläuterte ihre Tante. »Du hast ihm deinen
Ausweis zuerst nicht zeigen wol len. Als sich die Sache bis zu
Reichslinger herumsprach, war der Junge bereits ein rüder Grobian
geworden. Sein Vorgesetz ter dachte, es falle irgendwie auf ihn
zurück und verdonnerte ihn zu zusätzlichem Wachdienst.
Chantal sagt, Maresa sei sehr wütend auf dich gewesen.«
»Meinst du, wir sollten sie auf
irgendeine Weise benutzen? Das ist der eigentliche Grund für diese
ganze Geschichte, nicht wahr?«
»Natürlich. Wenn du an den Safe in der
Bibliothek willst, mußt du es während des Balls tun. Du
wirst dich unter irgend einem Vorwand entfernen müssen. Der
Riegel an der dritten Fenstertür ist schon seit dreißig
Jahren defekt. Wenn du kräftig genug gegen die Tür
drückst, geht sie auf. Wie lange wirst du brauchen, um den Safe zu
öffnen und deine Kamera zu gebrau chen? Fünf Minuten?
Zehn?«
»Aber der Posten draußen«, sagte Geneviève. »Auf der Ter rasse.«
»Ach ja, Maresas Anbeter. Erich heißt er,
glaube ich. Ich denke, wir können uns darauf verlassen, daß
sie lange genug mit ihm in die Büsche verschwindet.
Schließlich amüsieren sich die anderen ja auch.«
»Mein Gott«, flüsterte
Geneviève. »Bist du sicher, daß kein Blut von den
Borgias in unserer Familie fließt?«
Maresa
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