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Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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trat ihn mit ihrem spitzen
Absatz so heftig sie konnte auf den Spann.
    »Du verdammtes Biest!« zischte er.
    Sein Arm sauste hoch, um sie zu schlagen, aber da war
plötzlich eine Hand auf seiner Schulter und riß ihn
zurück. »Hat Ihnen nie jemand beigebracht, wie man sich
Damen ge­ genüber benimmt?« sagte Max Priem.
    Reichslinger starrte ihn finster an, und Priem stand drohend,
    die Hände in die Hüften gestemmt, da und erwiderte
seinen Blick. »Sie haben ab zehn Uhr Dienst, stimmt das?«
    »Ja«, brummte Reichslinger.
    »Dann würde ich vorschlagen, daß Sie
sich beeilen.« Reichs­ linger sah Geneviève gierig an.
Priem fuhr fort: »Das heißt, es ist kein Vorschlag, sondern
ein Befehl.«
    Reichslinger wurde schlagartig wieder zum
disziplinierten SS-Mann. Er schlug die Hacken zusammen. »Zu
Befehl, Stan­ dartenführer!« Er salutierte
vorschriftsmäßig und eilte fort.
    »Vielen Dank«, sagte Geneviève, weil ihr nichts anderes ein­ fallen wollte.
    »Sie haben sich gut gehalten. Hat man Ihnen das auf dem Töchterpensionat beigebracht?«
    »Der Lehrplan war sehr vielfältig.«
    Eine andere Platte begann, und sie erkannte
erschrocken die Stimme des Sängers. Al Bowlly, Julies
Lieblingssänger.
    »Ich suche mir auch gern selbst aus, mit wem ich tanze«, sagte Priem. »Darf ich bitten?«
    Sie gingen wieder hinein und aufs Parkett. Er tanzte
ausge­ zeichnet, und sie hatte den Zwischenfall von eben bald
verges­ sen und gab sich dem Rhythmus der Musik und seiner
Führung hin. Doch dann wurde ihr plötzlich wieder
bewußt: Sie war eine Spionin, umgeben von Feinden. Was
würden sie mit ihr machen, wenn sie es herausbekamen? Jene
Gestapo-Keller in Paris, wo sie Craig Osbourne gefoltert hatten? Es war
schwer, solche Fakten mit dem unbeschwerten Lachen, der angeregten
Unterhaltung zu vereinbaren.
    »Woran denken Sie?« flüsterte er.
    »Oh … nichts Besonderes.«
    Eigentlich war es herrlich, sich dem Tanz
hinzugeben, bis al­ les ringsum wie in einem rosigen Dunst zu
verschwimmen be­ gann. Die Musik wiegte sie, und dann wurde ihr
plötzlich klar, was Bowlly da sang: »Little Lady
Make-Believe«.
    Eine merkwürdige Wahl. Das letztemal hatte sie
diesen Song bei einem der Bombenangriffe auf London gehört. Sie
war noch Schwester auf Probe gewesen und war, als sie ein paar Stunden
frei hatte und zu müde zum Schlafen war, mit einem amerikanischen
Piloten vom Adler-Geschwader in einen Nachtclub gegangen. Al Bowlly war
kurz vorher von einer deutschen Bombe getötet worden, und der
Amerikaner hatte gelacht, als sie sagte, es sei gespenstisch, und sie
hatte ver­ sucht, sich in ihn zu verlieben, nur weil alle anderen
verliebt zu sein schienen. Und dann hatte er ihren Mädchentraum
– sie war achtzehn gewesen – zerstört, indem er sie
fragte, ob sie mit ihm schlafen wolle.
    Priem holte sie aus ihren Gedanken: »Sie haben
vielleicht nicht bemerkt, daß die Musik aufgehört
hat?«
    »Das beweist, wie müde ich bin. Ich denke,
ich gehe jetzt schlafen. Es war, wie man so sagt, ein interessanter
Abend. Empfehlen Sie mich bitte dem General.«
    Ein Unteroffizier kam mit einer Nachricht für
Priem. Er nahm das Blatt und las es, und aus Neugier blieb sie stehen,
um eventuell zu erfahren, worum es ging. In seinem Gesicht be­
wegte sich kein Muskel. Er steckte das Blatt in die Tasche.
    »Dann gute Nacht«, sagte er.
    »Gute Nacht, Standartenführer.«
    Sie hatte das Gefühl, fortgeschickt
zu werden, und dachte immer noch an das Blatt Papier, als
müßte etwas darauf stehen, das sie wissen sollte. Was
für eine Ironie, wenn Rommel nicht käme! Wenn sie alles
abblasen würden. Nein, es wäre keine Ironie, es wäre
einfach fabelhaft. Sie würde länger im Schloß bleiben
können. Sie würden dort fern vom blutigen Geschehen leben,
bis der Krieg gewonnen wäre, und dann würde sie hof­
fentlich heimkehren können zu ihrem Vater. Sie bekam Gewis­
sensbisse, denn ihr fiel ein, daß sie eine ganze Weile nicht mehr
an ihn gedacht hatte.
    Sie ging die Treppe hinauf und schritt den Korridor
entlang zu ihrem Zimmer. Als sie es betrat, spürte sie
plötzlich zum erstenmal Anne-Marie, wie eine unsichtbare und
lastende Prä­ senz, und sie mußte hinaus auf den Balkon,
wo kein Wind­ hauch ging, aber die unbewegte Luft war wenigstens
angenehm kühl.
    Sie saß im Dunkeln auf dem Schaukelstuhl, dachte
an AnneMarie und an das, was ihr widerfahren war. Es waren Männer
von der SS gewesen, die Leute, die sie zerstört hatten, das war
der

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