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Das große Doppelspiel

Das große Doppelspiel

Titel: Das große Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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springende Punkt, genau wie Max Priem. Nein, das war Unsinn. Er war
anders.
    Von unten hörte sie leise Schritte, und sie
schaute hinunter und sah die Gestalt eines Mannes, die sich in dem
Licht ab­ zeichnete, das aus dem Raum fiel, den er eben verlassen
hatte. Er stand da, ohne sich zu rühren, und sie wurde sich
bewußt, daß sie aufgehört hatte, in dem Stuhl zu
schaukeln, und den Atem anhielt.
    Sie wußte nicht genau, wie lange sie dort, in
der Dunkelheit verborgen, saß und beobachtete, aber er bewegte
sich nicht. So entstand eine Harmonie zwischen ihnen, die um so
magneti­ scher war, als er sie nicht spürte. Er drehte sich
um, das Licht aus einem der Fenster fiel auf sein Gesicht, und er sah
zum Balkon hoch.
    »Hallo«, sagte sie. »Schöpfen Sie frische Luft?«
    Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete, und sie
kostete die Stille aus. »Frieren Sie nicht?« sagte er.
    Irgendwo an der Gartenmauer bellte ein
Wachhund, störte den stummen Frieden, und andere Hunde fielen ein.
Priem trat zur Brüstung der Terrasse und lehnte sich in
kerzengerader, fast verkrampfter Haltung dagegen. Das Bellen hatte
nichts Unheimliches mehr. Die Hunde waren sehr real. Weiter hinten im
Garten ertönten nun Stimmen, und eine Taschenlampe blitz­ te
auf.
    Ein Scheinwerfer wurde angeschaltet, und sein
Lichtkegel wanderte wie eine weiße Schlange über den Boden,
bis er das Rudel erfaßte, fünf oder sechs Schäferhunde,
und dann die Beute, einen Mann, der ein kleines Stück vor ihnen
herlief. Sie erreichten ihn am unteren Brunnen. Er fiel hin, und die
Hunde waren blitzschnell über ihm, doch einen Augenblick
später kamen die Posten und schlugen auf sie ein, so daß sie
von ihm abließen.
    Geneviève beobachtete starr vor Entsetzen, wie
sie dem blutüberströmten Mann auf die Füße halfen.
Priem rief etwas auf deutsch, und ein junger Feldwebel drehte sich um
und lief über den Rasen, um Meldung zu machen. Eine Minute
später kehrte er zu der Gruppe am Brunnen zurück, und die
knurren­ den und hechelnden Hunde und der Gefangene wurden
wegge­ führt.
    »Ein Wilddieb, er hatte es wohl auf die Fasanen
abgesehen«, rief Priem gedämpft. »Es war sehr unklug
von ihm.«
    Da haßte sie ihn auf einmal für all das,
was er verkörperte. Die Brutalität des Krieges, die Gewalt,
die im Handumdrehen das Leben normaler Menschen auslöschen konnte
– aber war sie nicht letztlich eine Voincourt? Hätte ihre
Familie nicht in einem vergangenen Jahrhundert die Hand eines Wilddiebs
für den gestohlenen Fasan gefordert?
    Sie atmete tief ein, um sich wieder zu fassen.
»Ich denke, ich gehe jetzt zu Bett. Gute Nacht, Herr
Priem.«
    Sie trat in das dunkle Zimmer. Er blieb
stehen, das Licht fiel immer noch auf sein Gesicht, und schaute hoch.
Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich umdrehte und fortging.
    13

    Der »Grenadier« in der Charles Street war
an der Ecke eines gepflasterten Hofes mit einigen alten, zu
Wohnhäusern umge­ bauten Remisen. Craig ging hinein und fand
einen typischen Londoner Pub mit marmornen Tischplatten, einem
Kohlefeuer in einem kleinen Kamin, einer Mahagonitheke und mit vielen
ordentlich aufgereihten Flaschen vor einem großen Spiegel. Es war
nicht sehr viel los. Am Kamin saßen ein paar Luftschutz­
helfer in Uniform und spielten Domino. Vier Arbeiter in Over­ alls
ließen sich in einer Ecke ihr Guinness schmecken. Hinter der
Theke stand eine mütterlich wirkende Blondine in reiferen Jahren
und blickte von der Illustrierten auf, in der sie gelesen hatte.
    »Was kann ich für Sie tun, junger Mann?«
    »Scotch mit Wasser bitte«, sagte er.
    »Ich weiß nicht, ihr Yankees glaubt
anscheinend, hier war der Himmel auf Erden. Noch nie was von
Rationierung ge­ hört?« Sie lächelte. »Aber
ich denke, für Sie habe ich noch einen Tropfen.«
    »Ich habe gehofft, hier einen Freund von mir zu treffen. Dr. Baum.«
    »Der kleine ausländische Arzt von dem Pflegeheim oben an der Straße?«
    »Ja, genau.«
    Sie drehte sich um und füllte das Glas so,
daß die anderen Gäste es nicht sehen konnten. »Er ist
im Nebenzimmer hinter der Glastür da, junger Mann. Wie fast jeden
Abend. Ist lieber allein.«
    »Vielen Dank.« Craig zahlte und nahm den Drink.
    Sie sagte: »Er verkraftet ihn nicht mehr richtig, ich meine,
    den vielen Alkohol. Vielleicht könnten Sie ihm gut zureden, zur Abwechslung mal halb soviel zu trinken.«
    »Dann gehört er zu Ihren Stammgästen?«
    »Das würde ich sagen. Seit er diese Klinik
leitet, und das muß jetzt

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