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Das große Haus (German Edition)

Das große Haus (German Edition)

Titel: Das große Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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Geschenk, fuhr er fort, könnten Sie nur dabei sein und das Gesicht meiner Dina sehen, wenn ich es ihr gebe. Ich wollte gern wissen, wie er heißt, wiederholte ich. Wie er heißt? Adam, am liebsten hätte ich nie wieder was von ihm gehört, je früher er von hier abdampft, desto besser. Warum ist er hergekommen?, fragte ich. Um mich verrückt zu machen, darum. Vergessen Sie ihn, wie wäre es mit einem Omelett, mögen Sie ein Omelett, oder vielleicht Pasta Primavera? Schauen Sie sich die Karte an, was Sie wollen, es geht aufs Haus. Ich heiße Rafi. Ich bringe Ihnen Tee, nur diesmal nehmen Sie den gelben, Sie werden sehen, den gelben mögen alle.
    Aber ich vergaß ihn nicht, Euer Ehren. Ich konnte ihn nicht vergessen, den aufgeschossenen dünnen jungen Mann namens Adam, der jedoch, wie ich wusste, auch mein Freund, der verschwundene Dichter Daniel Varsky war. Vor siebenundzwanzig Jahren war er in New York in jener Wohnung gewesen, die aussah, als wäre ein Sturm hindurchgefegt, er hatte über Poesie geredet und auf den Absätzen gewippt, als würde er gleich den Abflug machen wie ein aus dem Sitz geschleuderter Pilot, und im Nu war er verschwunden, durch ein Loch geschlüpft, in einen Abgrund gefallen, um jetzt hier, in Jerusalem, wieder aufzutauchen. Warum? Die Antwort schien mir vollkommen klar: um seinen Schreibtisch wiederzuholen. Den Tisch, den er als Pfand zurückgelassen und ausgerechnet mir zur Aufbewahrung anvertraut hatte, der mir so viele Jahre auf dem Gewissen gelegen, auf dem ich mein Gewissen abgeladen hatte und dessen Übergang in fremde Hände seinen Wünschen ebenso wenig entsprach, wie es den meinigen entsprochen hatte, das Arbeiten an diesem Schreibtisch zu beenden. So jedenfalls stellte ich es mir in meinem benebelten Kopf vor, obwohl ich auf einer anderen Ebene sehr wohl wusste, dass diese Geschichte nur eine Halluzination war.
    Abends, in meinem Zimmer, dachte ich mir verschiedene Begründungen dafür aus, dem Kellner Rafi zu erklären, warum ich Adam wiedersehen wollte: Ich wolle einen Motorradausflug ins Jordantal, ans Tote Meer machen und bräuchte einen Fahrer, der auch mein Führer sein könnte, ja, es müsse unbedingt mit dem Motorrad sein und ich würde den Dienst großzügig bezahlen. Oder: Ich suchte jemanden, um meiner Cousine Ruthie, die ich seit fünfzehn Jahren nicht gesehen hatte und nie leiden konnte, ein dringendes Paket nach Herzliya zu bringen, ein Paket, das ich niemandem anvertrauen könne, und ob er so nett wäre, Adam zu schicken, nur eine kleine Gefälligkeit zum Ausgleich für das Buch, das ich Dina geschenkt hatte, wobei ich natürlich glücklich wäre, mich mit einem großzügigen et cetera, et cetera für die Freundlichkeit zu bedanken. Ich fand es nicht einmal unter meiner Würde, Rafi meine «Hilfe» und Bereitschaft anzubieten, den verirrten Cousin seiner Frau, das schwarze Schaf der Familie, ein bisschen an die Hand zu nehmen, als wohlwollende Außenstehende, die Schriftstellerin aus Amerika, auf ihn einzuwirken und ihn eine Weile unter meine Fittiche zu nehmen, ihm etwas Weisheit zu vermitteln, ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag sann ich darüber nach, wie ein weiteres Treffen mit Adam herauszuholen sei, aber am Ende war es gar nicht nötig: Am nächsten Abend, als ich gedankenverloren die Keren Ha’yesod entlang nach Hause ging, ehe die Dämmerung das Tageslicht ablöste, hielt ein Motorrad am Straßenrand. Das bullernde Motorengeräusch war das Erste, was in meine Tagträume drang, doch ich brachte es nicht mit dem jungen Mann zusammen, der mir den ganzen Tag im Kopf herumgespukt war, bis er, noch auf dem Motorrad sitzend, das dunkel getönte Visier hochklappte und mich eindringlich mit blitzenden Augen anschaute, als hätte er sich einen Spaß erlaubt, von dem ich nicht wusste, ob er nur zu seinem oder zu unserem gemeinsamen Vergnügen war, während der Verkehr unruhig wurde und sich hupend einen Weg um ihn herum bahnte. Er sagte etwas, was in dem dröhnenden Motorengeräusch unterging. Ich spürte meinen Atem schneller werden und trat näher heran, sah seine Lippen sich bewegen: Wollen Sie mitfahren? Das Gästehaus war nur zehn Minuten zu Fuß entfernt, aber ich zögerte nicht, jedenfalls nicht im Geist, obwohl mir dann, nachdem ich das Angebot angenommen hatte, nicht so recht klar war, wie ich auf die Maschine aufsteigen sollte. Ich stand hilflos daneben, starrte auf das restliche Stück Sitz, das hinter

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