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Das große Haus (German Edition)

Das große Haus (German Edition)

Titel: Das große Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Krauss
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komme ich mit meinen Freunden her, manchmal allein. Wir standen schweigend da und schauten. Dieses Buch, haben Sie es geschrieben?, fragte er. Das für Dina? Ja. Ist es das, was Sie machen? Ihr Beruf? Ich nickte. Während er darüber nachdachte, riss er sich mit den Zähnen ein angebrochenes Stück Fingernagel ab und spuckte es aus; ich zuckte zusammen, dachte an die Nägel, die sie Daniel Varskys langen Fingern ausgerissen hatten. Wie sind Sie das geworden? Haben Sie dafür eine Schule besucht? Nein, sagte ich. Ich habe schon in meiner Jugend damit angefangen. Warum fragen Sie? Schreiben Sie auch? Er schob seine Hände in die Taschen und presste die Kiefer zusammen. Ich verstehe nichts von solchen Sachen, sagte er. Es folgte ein unbehagliches Schweigen, und jetzt war er es, der verlegen wirkte, vielleicht wegen der Dreistigkeit, dass er einfach mit mir hierhergefahren war. Ich bin froh, dass Sie mich mitgenommen haben, sagte ich, es ist wunderschön. Sein Gesicht entspannte sich zu einem Lächeln. Es gefällt Ihnen, was? Das dachte ich mir. Wieder ein Schweigen. Um irgendwie im Gespräch zu bleiben, sagte ich, vollkommen idiotisch: Ihr Cousin Rafi hat auch so etwas, einen Blick, den er besonders mag. Adams Ausdruck wurde finster. Dieses Arschloch? Aber dabei ließ er es bewenden. Findet Dina Ihre Bücher gut?, fragte er. Ich glaube kaum, dass sie je etwas von mir gelesen hat, sagte ich. Ihr Vater hat mich gebeten, ihr eins zu widmen. Ach so, sagte er enttäuscht. Mein Blick fiel auf eine kleine Narbe über seiner Lippe, und diese winzige, verschwindend kurze Linie löste eine Sturzflut bittersüßer Gefühle in mir aus. Sind Sie berühmt?, fragte er mich lächelnd. Rafi sagte, Sie seien berühmt. Ich war überrascht, machte mir aber nicht die Mühe, ihn zu korrigieren. Es behagte mir, ihm die Vorstellung zu lassen, ich sei etwas anderes, als ich war. Und was schreiben Sie so? Kriminalromane? Liebesgeschichten? Manchmal, aber nicht nur. Schreiben Sie auch über Leute, die Sie kennen? Manchmal. Er grinste, zeigte sein gesundes Zahnfleisch. Vielleicht schreiben Sie ja über mich. Vielleicht, sagte ich. Er langte in seine Jackentasche, zog eine Zigarette aus einem verknautschten Päckchen und schirmte sie beim Anzünden gegen den Wind ab. Geben Sie mir auch eine? Sie rauchen?
    Der Rauch brannte mir im Hals und versengte mir die Brust, der Wind wurde kälter. Ich begann zu frösteln, und er lieh mir seine Jacke, die nach altem Holz und Schweiß roch. Er fragte mich weiter über meine Arbeit aus, stellte Fragen, die mich bei jedem anderen genervt hätten (Haben Sie schon mal eine Mordgeschichte geschrieben? Nein? Also was dann? Schreiben Sie Sachen, die Ihnen selbst passieren? Über Ihr Leben? Oder sagt man Ihnen, was Sie schreiben sollen? Werden Sie engagiert? Wie nennt man das, den Verleger?), aber aus seinem Mund, in der zunehmenden Dunkelheit, machte es mir nichts aus. Als auch er fröstelte und das Schweigen sich verdichtete, war es Zeit zu gehen, und ich suchte unwillkürlich einen neuen Vorwand, um ihn wiederzusehen. Er gab mir den Helm, diesmal allerdings, ohne mir seine Hilfe anzubieten. Hören Sie, sagte ich, in meiner Handtasche kramend, ich muss morgen irgendwohin. Ich zog den knittrigen Zettel heraus, der von meinem Koffer auf das Nachttischchen, zwischen die Seiten meines Buchs und von dort unten in die Tasche gewandert, aber doch nicht verlorengegangen war. Hier, das ist die Adresse, sagte ich. Könnten Sie mich hinbringen? Vielleicht brauche ich einen Übersetzer, ich weiß nicht, ob sie Englisch sprechen. Er schien überrascht, aber erfreut, und nahm mir den Zettel ab. Ha’Oren-Straße? In Ein Karem? Unsere Blicke trafen sich. Ich erklärte ihm, dort befände sich ein Tisch, den ich sehen wolle. Brauchen Sie einen Tisch zum Schreiben?, fragte er, jetzt interessiert, ja sogar erregt. So etwas Ähnliches, sagte ich. Brauchen Sie einen oder nicht?, fragte er. Ja, ich brauche einen Tisch, sagte ich. Und da gibt es einen, er tippte mit dem Finger auf den Zettel, in der Ha’Oren? Ich nickte. Er legte eine Denkpause ein, fuhr sich mit der Hand durchs Haar, während ich wartete. Dann faltete er den Zettel zusammen und steckte ihn in die Gesäßtasche. Ich hole Sie um fünf Uhr ab, sagte er. Okay?
    In dieser Nacht träumte ich von ihm. Oder vielmehr mal von ihm und mal von Daniel Varsky, und weil Träume so großzügig sind, waren es manchmal auch beide auf einmal, und wir gingen zusammen durch Jerusalem, ich

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