Das große Haus (German Edition)
Ort, aber ehe ich etwas sagen konnte, hatte Adam die Klingel unter den Blättern entdeckt und drückte auf den Knopf. Ein dünnes elektrisches Surren ertönte. Irgendwo bellte ein Hund. Als niemand reagierte, drückte er noch einmal. Haben Sie vielleicht eine Telefonnummer?, fragte er, aber da ich keine hatte, versuchte er es ein drittes Mal, ohne dass sich irgendetwas rührte, ohne Antwort außer der verstockten Lähmung, die über den Steinen, den Fensterläden und sogar den Blättern lag. Wissen sie Bescheid, dass Sie kommen wollten? Ja, log ich, woraufhin Adam an den Gitterstäben des Tores rüttelte, um zu probieren, ob die Kette nachgab. Ich fürchte, ich muss wiederkommen, sagte ich gerade, als ein alter Mann auftauchte oder vielmehr wie ein länger werdender Schatten hinter der Wand hervorkam, mit einem eleganten Spazierstock in der Hand. Ken? Ma atem rotzim?, erwiderte Adam, auf mich deutend. Ich fragte ihn, ob er Englisch spreche. Ja, sagte er, an seinen Stock geklammert, dessen Silberknauf, wie ich jetzt bemerkte, einen Widderkopf darstellte. Wohnt hier Leah Weisz? Weisz?, sagte er. Ja, sagte ich, Leah Weisz, sie war vorigen Monat bei mir in New York, um einen Schreibtisch abzuholen. Einen Schreibtisch?, echote der alte Mann verständnislos, und jetzt mischte sich Adam ungeduldig mit ein paar Worten auf Hebräisch ein. Lo , sagte der alte Mann kopfschüttelnd, lo, ani lo jodea klum al schum schulchan . Er weiß nichts von einem Schreibtisch, sagte Adam, während der Mann, auf seinen Stock gestützt, keine Anstalten machte, das Tor aufzuschließen. Vielleicht hat man Ihnen die falsche Adresse gegeben, sagte Adam. Er zog den zerknitterten Zettel aus seiner Jeans und reichte ihn durchs Gitter. Der alte Mann langte gemächlich in seine Brusttasche, klappte eine Brille auseinander und setzte sie sich ins Gesicht. Er schien lange zu brauchen, bis er verstanden hatte, was dort geschrieben stand. Als er mit dem Lesen fertig war, schaute er auf die Rückseite. Und als er sie leer fand, drehte er den Zettel wieder um. Ze ze o lo ?, fragte Adam. Der alte Mann faltete den Zettel säuberlich zusammen und gab ihn durchs Gitter zurück. Ha’Oren Nummer 19, das ist richtig, aber hier wohnt niemand dieses Namens, sagte er, und ich war erstaunt über sein Englisch, das fließend und geschliffen klang.
Jetzt kam mir der Gedanke, dass mir etwas Durchtriebenes an Leah Weisz entgangen sein könnte. Dass sie mir vielleicht absichtlich eine falsche Adresse gegeben hatte, für den Fall, dass ich es mir anders überlegte und versuchen sollte, den Tisch wiederzubekommen. Aber warum hätte sie mir dann überhaupt eine Adresse hinterlassen? Ich hatte nicht danach gefragt, und dass sie es tat, war mir, daran erinnerte ich mich jetzt, fast wie eine Art Einladung erschienen. Der alte Mann stand in sorgfältig gebügelten Hemdsärmeln da, während hinter ihm das unter Blättern versteckte Haus den Atem anhielt. Wie mochte es von innen sein?, fragte ich mich. Wie sah der Wasserkessel aus, alt und verbeult?, wie die Teetasse?, gab es Bücher?, und was hing in dem düsteren Flur, etwas Biblisches, eine kleine Radierung mit der Opferung Isaaks vielleicht? Der alte Mann musterte mich mit scharfen blauen Augen, den Augen eines gezähmten Adlers, und ich spürte, dass auch er neugierig auf mich war, als gäbe es etwas, was er mich fragen wollte. Sogar Adam schien es zu bemerken, denn sein Blick wanderte von dem alten Mann zu mir, dann wieder zu dem alten Mann, und wir hingen alle drei in der Schwebe des Schweigens, das über dem Anwesen lag, bis Adam schließlich die Achseln zuckte, mit den Zähnen ein weiteres Fitzelchen Fingernagel abriss, es ausspuckte und zum Motorrad ging. Viel Glück, sagte der alte Mann, während sich seine Rechte fester um die gerollten Silberhörner des Widders schloss. Ich hoffe, Sie finden, was Sie suchen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, Euer Ehren, ich platzte heraus: Ich wollte ihn nicht wiederhaben, den Schreibtisch, ich wollte nur – aber ich unterbrach mich, weil ich nicht sagen konnte, was ich eigentlich gewollt hatte, und ein schmerzlicher Ausdruck zuckte über das Gesicht des alten Mannes. Hinter mir ließ Adam den Motor an. Gehen wir, sagte er. Ich wollte noch nicht gehen, schien aber keine Wahl zu haben. Ich stieg auf. Der alte Mann hob zum Abschied seinen Stock, und wir fuhren los.
Adam war hungrig. Mir war es egal, wohin die Reise ging, Hauptsache, er brachte mich nicht ins Gästehaus
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