Das große Haus (German Edition)
Vergnügen, dass es ausgerechnet einem Mann zufiel, der um mehr als die Hälfte jünger war als ich und mit dem ich nichts gemeinsam hatte, diese Leidenschaft in mir zu wecken. Ich kehrte auf mein Zimmer zurück und wartete; ich konnte warten, von mir aus den ganzen Tag und die ganze Nacht, es machte mir nichts. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit klingelte das Telefon, und ich nahm beim ersten Klingeln ab. Er sei in einer Stunde bei mir. Vielleicht wusste er, dass ich gewartet hatte, auch das war mir ziemlich egal. Ich wartete noch etwas. Anderthalb Stunden später kam er und fuhr mit mir zu einem Haus am Ende einer Gasse irgendwo außerhalb von Bezalel. Eine bunte Lichterkette hing im Feigenbaum, und eine Gruppe junger Leute saß essend an dem Tisch darunter. Eine kurze Vorstellung, von innen wurden Klappstühle geholt, an dem schon reichlich vollbesetzten Tisch wurde Platz für uns geschaffen. Ein Mädchen in einem dünnen roten Kleid und Schaftstiefeln sprach mich an. Sie schreiben über ihn?, fragte es ungläubig. Ich blickte über den Tisch zu Adam hinüber, der eine Flasche Bier trank – ich schmachtete, empfand aber zugleich die besondere Wärme zu wissen, dass ich mit ihm gekommen war und diejenige sein würde, mit der er wieder ging. Ich lächelte das Mädchen an, nahm mir Oliven und gesalzenen Käse. Sie schienen nett zu sein, diese jungen Leute, die einen Lügner und Dieb nicht in ihrem Kreis geduldet hätten; Rafi war ungerecht mit ihm gewesen. Die Nachspeise wurde nach draußen gebracht, dann Tee, und schließlich gab Adam mir ein Zeichen, wir müssten aufbrechen. Wir verabschiedeten uns von der Gesellschaft und gingen mit einem Jungen hinaus, der zu seinen langen blonden Rastalocken eine zierliche Brille trug. Er duckte sich in einen alten silbergrauen Mazda, ließ das Fenster herunter und winkte uns, wir sollten ihm folgen. Doch als wir in seine Wohnung kamen, war der fragliche Tisch auch dort nicht, und ich wartete, während Adam und der Rastalockige in der dreckigen kleinen Küche unter einem verjährten Kalender mit Bildern des Fudschijama einen Joint hin- und herwandern ließen. Sie diskutierten etwas in schnellem Hebräisch, anschließend ging der Junge weg und kam mit einem Schlüsselbund klimpernd wieder, einer Kette mit Davidsternanhänger, die er Adam zuwarf. Dann brachte er uns zur Tür, ließ eine Haschischwolke in den Flur wehen, und wir fuhren an einen dritten Ort, zu einer Gruppe hoher Wohnblocks oberhalb des Sacher-Parks, aus demselben blassgelben Stein wie alles andere in Jerusalem. In der mit Spiegeln verkleideten Kabine eines winzigen Aufzugs zusammengeworfen, fuhren wir in den fünfzehnten Stock hinauf. Der Flur war dunkel, und während Adam nach dem Schalter tastete, spürte ich ein so heftiges Verlangen, dass ich fast meine Arme ausgestreckt und ihn an mich gezogen hätte. Aber genau im richtigen Moment ging sirrend und flackernd das Neonlicht an, und mit einem der Schlüssel, die an dem kleinen metallischen Davidstern hingen, schloss Adam die Tür zu 15B auf.
Innen war es wieder dunkel, aber ich verlor den Mut, und so wartete ich, die Arme um mich selbst geschlungen, bis auch hier das Licht aufflackerte und wir uns, vollkommen unpassend zu der grellen Helligkeit, in einer mit schweren dunklen Möbeln vollgestopften Wohnung wiederfanden: bleiverglaste Mahagonivitrinen, gotische Stühle mit hohen Rückenlehnen, geschnitzten Pfosten und Gobelinbezügen auf den Sitzflächen. Die Metalljalousien vor den Fenstern waren heruntergelassen, als wären die Bewohner auf unbestimmte Zeit abwesend. An den Wänden gab es kaum eine Handbreit freie Fläche, so überladen waren sie mit dick geschichteten Impasto-Früchten oder -Blumen, düsteren ländlichen Szenen, so düster, dass man meinen mochte, sie hätten den Rauch eines Feuers überlebt, und Radierungen von kleinwüchsigen buckligen Bettlern oder Kindern. Zwischen alledem hingen in einer unwahrscheinlichen Mischung billige Plexiglasrahmen mit vergrößerten Panoramaaufnahmen von Jerusalem, als wäre es den Bewohnern dieser Räume entgangen, dass das wirkliche Jerusalem direkt hinter den Jalousien lag, oder als hätten sie einen Pakt geschlossen, die Wirklichkeit draußen vor den Fenstern zu verleugnen und sich lieber weiterhin nach Eretz Israel zu sehnen, wie sie es während ihres langen Aufenthalts in wer weiß welchem jüdischen Teil Sibiriens, wo sie hergekommen waren, schon immer getan hatten, weil es ihnen jetzt, zu spät im Leben
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