Das große Haus (German Edition)
zurück. Ich versuchte zu verstehen, was geschehen war. Wer war Leah Weisz? Warum hatte ich so mir nichts, dir nichts alles akzeptiert, was sie mir ohne den geringsten Beweis erzählt hatte? Ich hatte diesen Tisch, der den Mittelpunkt meines Lebens bildete, so bereitwillig abgegeben, dass man meinen möchte, ich sei erpicht darauf gewesen, froh, ihn endlich los zu sein. Es ist wahr, ich hatte mich immer als seine Hüterin verstanden, mir gesagt, früher oder später würde jemand kommen und ihn holen, aber in Wirklichkeit war das nur eine geeignete Geschichte, die ich mir selbst vormachte, eine unter vielen anderen, die mich von der Verantwortung für meine Entscheidungen befreiten, ihnen den Anschein der Unvermeidlichkeit verliehen, obwohl ich im tiefsten Grunde davon überzeugt war, dass ich an diesem Schreibtisch sterben würde, meinem Erbe und meinem Ehebett – also warum nicht auch meine Bahre?
Adam führte mich in ein Restaurant an der Salomon-Straße, wo er die Belegschaft kannte und mit einigen befreundet war. Sie klopften ihm auf den Rücken und betrachteten mich abschätzend. Er grinste, und was er sagte, löste lautes Gelächter aus. Wir setzten uns ans Fenster. Draußen, auf einem Balkon, der über der schmalen Straße hing, saß ein Mann auf einer alten Matratze und plauderte herzend und liebkosend mit seinem kleinen Sohn. Ich fragte Adam, was er zu seinen Freunden gesagt habe. Ein halbes Lächeln auf den Lippen, schaute er sich im Saal nach den anderen Essensgästen um, wie sie reagierten, als wäre er mit einer Berühmtheit hereingekommen, so absurd das klingen mag. Mit stechenden Gewissensbissen wurde mir klar, dass ich ihn enttäuschte, aber es war zu spät. Was hätte ich sagen sollen: Kein Mensch liest meine Bücher, vielleicht wird man mich bald gar nicht mehr verlegen? Ich habe ihnen erzählt, dass Sie über mich schreiben, sagte er und grinste wieder. Dann schnippte er mit den Fingern, und seine Freunde lachten und servierten uns Platten voller Essen, denen weitere Gerichte folgten. Sie musterten mich, und ich sah den Schalk in ihren Augen, als ahnten sie meine Verzweiflung und wüssten etwas über ihren Freund, was ich nicht wusste. Aus dem hinteren Teil des Restaurants beobachteten sie uns, amüsierten sich über das Glück ihres Freundes, dem diese ältere Frau ins Netz gegangen war, eine reiche und berühmte Amerikanerin oder so ähnlich, wie sie offenbar glaubten, bis Adam erneut mit den Fingern schnippte und sie sich in Bewegung setzten, um eine Flasche Wein zu bringen. Er stürzte sich gierig auf das Essen, als hätte er seit Tagen nichts bekommen, und es war eine Freude, ihn zu beobachten, Euer Ehren, mich mit meinem Glas Wein zurückzulehnen und seine Schönheit, seinen Hunger zu genießen. Als das Mahl beendet war (er hatte fast alles verschlungen), legten seine Freunde mir die Rechnung hin, und ich sah, dass sie den teuersten Flaschenwein für uns ausgesucht hatten. Während ich in meiner Geldbörse fummelte, die richtigen Scheine herauszuzählen versuchte, stand Adam auf und gesellte sich zu den anderen, kaute scherzend auf einem Zahnstocher herum. Als ich mich erhob, merkte ich, wie der Wein mir in den Kopf stieg. Ich folgte Adam aus dem Restaurant, und hinter ihm gehend, wusste ich, dass er meine Blicke spürte, wusste, dass er wusste, wie sehr ich ihn begehrte, obwohl ich, Euer Ehren, zu meiner Verteidigung hinzufügen möchte, dass es nicht nur Lust war, was ich für ihn empfand, sondern auch eine Art Zärtlichkeit, als könnte ich fähig sein, den Schmerz zu lindern, den ich in seinem Gesicht gesehen hatte, ehe er ihn mit dem Ärmel wegwischte. Augenzwinkernd warf er mir den Helm zu, aber es war der hilflose und unsichere junge Mann hinter diesen Posen, der mir den Wunsch eingab, ihn mit nach Hause zu nehmen. Wir erreichten den Eingang des Gästehauses, und ich rang nach den richtigen Worten, aber bevor ich sie aussprechen konnte, kündigte er an, ein Freund eines der Kellner aus dem Restaurant habe einen Tisch, und wenn ich Lust hätte, würde er mich morgen hinbringen, damit ich ihn mir ansehe. Dann küsste er mich keusch auf die Wange und fuhr davon, ohne zu sagen, um welche Zeit er kommen würde.
An diesem Abend suchte ich mir die Nummer von Paul Alpers aus dem Adressbuch. Ich hatte seit vielen Jahren nicht mit ihm gesprochen, und als er nach dem zweiten Klingelzeichen abhob, hätte ich fast wieder aufgelegt. Hier ist Nadia, sagte ich, und weil mir das irgendwie nicht
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