Das große Haus (German Edition)
bisschen herunterzugehen, obwohl man nicht vergessen dürfe, es sei ja immerhin ein antikes Unikat, ein Meisterwerk, das auf dem freien Markt ein Vielfaches einbringen würde. Ich spiele mit, tue so, als ließe ich mich von seinen Verkaufskünsten beeindrucken, während ich unter dem Tisch nach seinem Fuß suche. Solange ich mich selbst fast glauben lasse, was ich sage, ist alles gut, zumindest bis ich mich plötzlich mit einem Anfall von Übelkeit daran erinnere, dass ich nicht weiß, ob ich je wieder etwas schreiben werde.
Da sitzen wir beim Mittagessen im Café des Ticho-Hauses, einem der beliebtesten Treffpunkte für Schriftsteller, wie Adam von einem Freund gehört hat. Ich trage ein bauschiges Blumenkleid und eine purpurrote Zugbeuteltasche aus feinem Velours, mit Goldbrokat, die ich im Schaufenster einer Boutique entdeckt und mir am Vortag gekauft habe. Seit ewigen Zeiten habe ich mir nichts Neues mehr gekauft, und es ist aufregend und seltsam, diese Sachen zu tragen, wie ein neuer Anfang, als könnte es so einfach sein, mein Leben zu verändern. Die Träger rutschen von den Schultern, und ich lasse sie. Adam spielt mit seinem Handy, steht auf, um einen Anruf zu machen, kommt wieder und schüttet mir den Rest sprudelndes Mineralwasser ins Glas. Irgendwo, irgendwie hat jemand ihm die Rudimente ritterlicher Höflichkeit beigebracht, und er hat sie genommen, sie zurechtgestutzt und seinen eigenen unberechenbaren Regeln unterworfen. Wenn wir die Straße entlanggehen, rennt er mir voraus. Aber sobald wir an eine Tür kommen, hält er sie auf und wartet, egal wie lange ich brauche, bis ich ihn eingeholt habe und hindurchgehe. Oft reden wir nichts. Es ist nicht das Reden, was mich interessiert.
Da sind wir in einer Bar an der Heleni Ha’Malka. Einige von Adams Freunden kommen herein, dieselben, die ich am Tisch unter dem Feigenbaum kennengelernt hatte, das Mädchen mit dem dünnen roten Kleid (jetzt ist es ein gelbes) und ihre Freundin mit einem dunklen Pony über der Stirn. Zur Begrüßung küssen sie mich auf die Wange, als wäre ich eine von ihnen. Die Band hält ihren Einzug auf der Bühne, Trommeln setzen ein, und bei den ersten Klängen der Gitarre beginnt die wachsende Menge zu klatschen, jemand pfeift von hinter der Bar, und obwohl ich weiß, dass ich keine von ihnen, sondern in ihrer Mitte ein vollkommener Fremdkörper bin, erfüllt mich ein Gefühl von Dankbarkeit, so umstandslos akzeptiert zu werden. Ich empfinde ein dringendes Bedürfnis, das Mädchen in dem gelben Kleid bei der Hand zu fassen und ihm etwas zuzuflüstern, aber mir fallen nicht die richtigen Worte ein. Die Musik wird lauter und fetziger, der Frontsänger schreit mit rauer Stimme, und auch wenn ich mich nicht von den anderen unterscheiden will, kann ich mir nicht helfen, ich finde, er geht ein bisschen weit, er überzieht die Sache etwas, und so bahne ich mir einen Weg an die Bar, um mir einen Drink zu holen. Als ich mich umwende, steht das Mädchen mit dem dunklen Pony neben mir. Sie ruft mir etwas zu, aber die Musik übertönt ihre leise Stimme. Was?, rufe ich zurück, jetzt bemüht, ihr von den Lippen abzulesen, und sie wiederholt es, bricht dabei in Kichern aus, irgendetwas über Adam, aber ich habe immer noch nicht verstanden, und so hebt sie sich beim dritten Mal auf die Fußspitzen, direkt an mein Ohr, und schreit: Er liebt seine Cousine!, dann sinkt sie, ihr Lächeln hinter der Hand verbergend, auf die Absätze zurück und schaut, ob ich’s gehört habe. Ich suche mit den Augen die Menge ab, und als ich Adam entdecke, der sein Feuerzeug in die Höhe hält, während der Sänger schnulzig wird, wende ich mich wieder dem Mädchen zu, erwidere ihr Lächeln und erkläre ihr mit einem Blick, wenn sie glaube, die ganze Geschichte zu kennen, habe sie sich geirrt. Ich gehe weg. Ich trinke mein Glas aus und dann ein zweites. Der Sänger verfällt wieder in extremes Geschrei, aber die Musik wird runder, fröhlicher, und als Adam plötzlich von hinten meine Hand packt und mich nach draußen zieht, weiß ich, jetzt muss ich nicht mehr lange warten. Wir steigen aufs Motorrad – inzwischen mache ich das wie nichts, schwinge mich drauf und schmiege mich an ihn –, und ich brauche nicht zu fragen, wohin wir fahren, weil ich zu allem bereit bin.
Und auf einmal sind wir wieder in dem grausig beleuchteten Betoneingang, der zu Gads Wohnung führt. Wir steigen die Treppen hinauf, Adam singt in schiefen Tönen, nimmt zwei Stufen auf einmal. Ich
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