Das große Heinz Erhardt Buch
was!
Der Kapellmeister sucht emsig,
wo die Stimmgabel wohl steckt–
in der hintern Hosentasche
hat er endlich sie entdeckt.
Und er führt zum Ohr die Gabel
und macht »aaaaah« - das ist der Ton,
den man nötig für den Einsatz
hat; doch, horch, sie singen schon!
Und sie singen viel von Liebe
und von Sehnsucht und vom Mai,
und elf Verse hat dies Liedel,
und dann geht auch das vorbei.
Müde von der Armbewegung
senkt der Dirigent den Stab,
müde von den tiefen Tönen
wischt der Baß den Schweiß sich ab.
Der Tenor erzählt begeistert,
wie ihm heut das »fis« gelang,
und der Bariton, sich räuspernd,
sagt: »Wie gut ich heute sang!«
Doch dann sitzen alle fünfzig
wieder um des Tisches Rund.
Und sie essen und sie trinken
und sie wischen sich den Mund …
Ein Pianist spielt Liszt
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst und sie mit jeder Hand für sich zum Siege führst, dich preise ich!
Du bist ein gottgesandter Streiter,
ein Heros, ein Akkordarbeiter.
Im Schweiße deiner flinken Finger
drückst du auf jene langen Dinger,
die man gewöhnlich Tasten nennt,
und die, grad wie beim Schach, getrennt
in Schwarz und Weiß ihr Dasein fristen,
als Requisit des Pianisten.
Doch nicht nur deiner Finger Schwielen
brauchst du zum Greifen und zum Spielen,
nein, was man meistens gar nicht glaubt:
du brauchst dazu sogar dein Haupt!
Mal fällt’s, als ob du schlafen mußt,
auf deine stark erregte Brust,
mal fällt’s mit furchtbar irrem Blick,
so weit es irgend geht, zurück,
und kommst du gänzlich in Ekstase,
hängt dir ein Tropfen an der Nase.
Und hast du endlich ausgerast,
sagt sich der Hörer: Liszt - not last!
O eminenter Tastenhengst,
der du der Töne Schlachten lenkst
und sie mit jeder Hand für sich
zum Siege führst, dich preise ich!
Und jeder Hörer merkt alsbald:
du siegst mit Liszt, nicht mit Gewalt!
Beethovens Totenmaske
Durch die Glastür zum Alkoven
scheint der Mond mit weißem Licht.
Ausgerechnet dem Beethoven
scheint er mitten ins Gesicht.
Nicht einmal sein Aug beschatten
kann der große Komponist.
Hilflos ist man und verraten,
wenn man mal gestorben ist.
Der Bach
(Dem gleichnamigen Komponisten gewidmet)
Tagtäglich fließt der Bach durchs Tal.
Mal fließt er breit, mal fließt er schmal.
Er steht nie still, auch sonntags nicht,
und wenn mal heiß die Sonne sticht,
kann man in seine kühlen Fluten fassen.
Man kann’s aber auch bleibenlassen.
Der Schauspieler
Er sprach zu der Theaterleitung,
nachdem er dreimal ausgespuckt:
»Mein Name steht in dieser Zeitung
nie eingerahmt, nie fettgedruckt!
Dabei spiel ich die längsten Rollen,
mal bin ich heldisch, mal geduckt,
ich probe auch, solang Sie wollen,
doch niemals bin ich fettgedruckt!«
Ganz ohne Probe selbstverständlich
starb gestern er, hat kaum gezuckt …
Heut steht er in der Zeitung endlich
schön eingerahmt und fettgedruckt!
Der Apfelschuß
Der Landvogt Geßler sprach zum Tell:
»Du weißt, ich mache nicht viel Worte!
Hier, nimm einmal die Tüte schnell,
sind Äpfel drin von bester Sorte!
Leg einen auf des Sohnes Haupt,
versuch, ihn mit dem Pfeil zu spalten!
Gelingt es dir, sei’s dir erlaubt,
des Apfels Hälften zu behalten!«
Der Vater tat, wie man ihn hieß,
und Leid umwölkte seine Stirne,
der Knabe aber rief: »Komm, schieß
mir schnell den Apfel von der Birne!«
Der Pfeil traf tödlich — einen Wurm,
der in dem Apfel wohnte …..
Erst war es still, dann brach ein Sturm
des Jubels los, der ‘n Schützen lohnte!
Man rief: »Ein Hoch dir, Willi Tell!
Jetzt gehn wir einen trinken, gell?« *
Neues von Wilhelm Tell
Es ist das Ziel eines jeden Schützen:
der Schuß muß genau im Schwarzen sitzen!
Und einer, dem dies immer gelang
und den schon Kollege Schiller besang,
das war ein gewisser Tell aus der Schweiz.
Er schoß so gut, daß der Geßler bereits
erst in Erstaunen geriet, dann in Rage
und ausrief: »Nanu, das ist Tells Etage!« **
* Westfälische Fassung: Man rief: »Der Tell, der schießt ja toll! Jetzt gehn wir einen trinken, woll?«
** Angeblich soll der Landvogt Geßler statt »Etage« »Geschoß« gesagt haben - aber dann würde es sich nicht auf »Rage« reimen.
Theater, Film, Fernsehen
Man hat Theater, die erfreuen sich fiskalischer Unterstützung - man hat aber auch Theater, die erfreuen das Publikum. Diese sind äußerst selten, meist in privater Hand und haben schwer zu kämpfen, sofern sie nicht wenigstens einer Organisation angeschlossen sind, was aber ausgeschlossen ist, wenn die Stücke, die sie
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