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Das große Leuchten (German Edition)

Das große Leuchten (German Edition)

Titel: Das große Leuchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stichmann
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Nichtvorhandenes und jemand Besonderes, diese beiden seien hier.
    Und damit guckt er erst mich und dann Robert an, und Robert hält den Blick, ganz ruhig, als hätte er genau das vorausgesehen. Überhaupt keine Regung, beeindruckend gefasst. Offensichtlich konzentriert er sich auf die Botschaft, die ihm der Derwischmann übermittelt, denn der klickert jetzt mit seinen Fingernägeln gegen den Stock, als würde er Klopfzeichen geben. Die beiden scheinen tatsächlich mit Geräuschen zu kommunizieren, ich kann es deutlich wahrnehmen, obwohl es mir abwegig vorkommt.
    Plikplick. Plik. Plik.
    Robert nickt.
    Ich sehe zu Abu – der nickt auch in die Runde, konzentriert, damit wir hier weiterkommen. Nur wie sollen wir weiterkommen, wenn der Derwischmann jetzt wieder in sein Schweigen verfällt? In dieses kalte, physisch spürbare Schweigen? Um dann mit diesem ebenfalls kalten, gekräuselten Lächeln ausgerechnet Robert zu fixieren. Ich denke: Warum soll jetzt ausgerechnet Robert der Besondere sein, mit seinem Anglerhut und seiner Gürteltasche?
    Plik.
    Plikplik.
    Und Robert bewegt die Oberlippe, antwortet ohne Ton, zumindest sieht es so aus, und ich sage schließlich laut und deutlich: «Wir sind nicht wegen Robert hier!»
    Das scheint der Derwischmann allerdings widerlich zu finden, verabscheuungswürdig, dass ich das sage. Er verzieht angeekelt das Gesicht und schließt die Augen und schweigt.
    Für eine geraume Zeit.

    Als Nächstes heißt es, Robert habe schöne Klamotten. Robert sei gefühlvoll, und Robert dürfe nun etwas sagen, weil er besonders schöne Klamotten habe.
    Ich sage: «Der Mann ist ganz offensichtlich krank! Diese Leute haben einen Gestörten vorgeschickt, und jetzt dreht er völlig durch, anstatt uns zu Ana zu bringen!»
    «Warte mal ab», sagt Robert. «Das kriegen wir schon hin.»
    Seine Hand liegt wieder auf meinem Knie, sein Blick ist ungewohnt klar und erwachsen. Als wäre die Blase um ihn herum plötzlich geplatzt, diese inwendige Art, die ihn seit eh und je umgibt.
    Als hätte er den richtigen Instinkt für die Situation?
    Jedenfalls sieht er dem Derwischmann in die Augen und sagt, wenn er etwas sagen dürfe, wolle er sagen, dass er ihn sehr respektiere. Und dass es ihn freuen würde, wenn er ihn nun im Namen von uns allen fragen dürfe, wie es Ana und Anas Mutter geht. Aber weil er – Robert – natürlich wisse, dass dies ein sehr kühner Wunsch sei, wolle er, bevor er eine Antwort auf seine Frage erhoffe, zunächst zwanzig Minuten innehalten und meditieren.
    Der Derwischmann lacht freundlich und winkt.
    Kehrt die Handflächen nach oben, wackelt hin und her und lacht uns glücklich ins Gesicht, leuchtet uns mit seinen Augen an, plötzlich viel jünger. Und Abu übersetzt, dass Robert absolut recht habe und wir das nun tun sollten.
    Allerdings offenbar ohne mich – denn der Derwischmann rammt den Stock mit dem Messer in den Boden und dreht mir den Rücken zu, sodass ich aus der Runde ausscheide.

    Die anderen bilden ein Dreieck neben mir. Nur Robert hält mich drinnen mit seiner Hand, die noch immer auf meinem Knie liegt.
    Ich bewege mich vorsichtshalber nicht.
    Muss zwischendurch ein paarmal schlucken, weil es extrem unangenehm wird – als säßen die drei an einem Feuer, das ich nicht sehen darf. Abu übersetzt, dass der Nichtvorhandene sich anstrengen müsse, damit wir weiterkommen, dass er sich am besten jetzt gleich zeigen solle – dass er am besten jetzt gleich seine Natur offenbaren solle.
    Ich sage: «Ich sitze doch hier und offenbare meine Natur. Was soll ich denn machen?»
    Und der Derwischmann sieht jetzt auch noch nachsichtig an mir vorbei. Mit seiner nachsichtigen Fresse.
    Er sagt, der Nichtvorhandene sei so wenig da, dass man noch nicht mal auf ihn zeigen könne, da man sonst Angst haben müsse, dass einem die Hand absterbe und auch nicht mehr vorhanden sei.
    Ich sage: «Ist es jetzt mal gut?»
    «Du hast keine Liebe in dir», übersetzt Abu.

3
    Treibsand. Schwerer werdende Schritte. Das Gefühl, gegen meinen Willen in einen bösartigen, nur halb bewussten Zustand abzurutschen, in dieser blutwarmen Luft. Dazu diese Abneigung gegen den Derwischmann, eigentlich Hass – während wir ihm in die Halbwüste folgen.
    Oder besser: Die anderen folgen ihm, während meine Beine immer schwerer werden. Als hätte ich plötzlich eine Behinderung in den Beinen.
    Der Derwischmann selbst wendet einen ganz merkwürdigen Gang an in diesem feinen Sand, offenbar technisch versiert: Er schmeißt die

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