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Das große Leuchten (German Edition)

Das große Leuchten (German Edition)

Titel: Das große Leuchten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Stichmann
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Formen und Flächen, es bleibt einfach vor mir, starr und bleich. Als wäre es erst jetzt in diesem Moment entstanden. Als wäre es die ganze Zeit nicht da gewesen und hätte sich gerade materialisiert.

    Und ich sehe diese Augen.
    Sie verändern sich ein bisschen. Das darf mich eigentlich nicht erschrecken, denke ich, das ist wahrscheinlich der gleiche Effekt, wie wenn man hundertmal hintereinander das gleiche Wort aufsagt: Augen, Augen, Augen, Augen. Etwas absurd mit den Tränendrüsen. Aber dann wird es plötzlich abartig. Im Spiegel sitzt ein Schädel mit Gummiüberzug und zwei glänzenden Seh-Äpfeln, die irgendwie mit der Stimme in meinem Kopf verbunden zu sein scheinen.
    Aber etwas stimmt nicht mit der Verbindung.
    Die Pupillen sind zu klein und zu hart. Oder das Bewusstsein sitzt zu klein und zu hart in den Pupillen, denke ich – ja, das ist es, es sitzt zu ängstlich und zusammengepresst darin. Ein Alien, ein eingesperrtes Alien, das ich sehe. Oder das vielmehr panisch zu mir raussieht. Als wollte es etwas sagen.

    Dann werde ich nass.
    Der Derwischmann sprüht mit einem Raumbefeuchter herum, und die Höhle ist plötzlich wieder präsent, die Mauern aus Lehm, die anderen Gesichter. Als wäre das Alien durch die Tür geflüchtet und quiekend in der Wüste verschwunden, während ich mich hier wiederfinde.
    Abu übersetzt: «Entspannen!»
    Wir dürfen die Spiegel weglegen. Ich bin vollkommen fertig und durchgeschwitzt, auch wenn der Derwischmann das Gegenteil behauptet: Wir würden uns jetzt, nach dieser interessanten halben Stunde, wie Korken im Wasser fühlen, ganz leicht und ruhig.
    «Durch die Übung sind wir alle in diesem Raum angekommen», übersetzt Abu. «Wir sind nun alle gemeinsam anwesend und können uns im Raum verhalten.»
    Ich sehe Robert an: Der massiert seine nackten Füße, offenbar auch ein bisschen ermüdet, aber eher so, als käme er vom Joggen zurück. Als er meinen Blick bemerkt, schüttelt er kaum merklich den Kopf, wie um zu sagen: Vergiss den ganzen Quatsch einfach. Wir haben es geschafft. Lächle einfach und sei mit allem einverstanden.
    Und das mache ich. Ich nicke zumindest. Und der Derwischmann sagt, dass wir jetzt können.

    Es ist, als würde feierliche Musik eingespielt.
    Robert hilft mir hoch.
    Der Derwischmann probiert eine Taschenlampe aus und zieht sich eine dicke, rot karierte Stoffjacke an. Er sagt, wir sollen uns Wasser in eine Flasche füllen, es sei ein weiter Weg, den wir vor uns hätten. Dort bei der Tür gebe es einen Wasserhahn.
    Für einen Moment werde ich fast weinerlich.
    Auch wegen dem ruhigen Gesicht des Derwischmannes, wie er da steht und auf einmal tatsächlich väterlich wirkt. Er lächelt sogar anders, gar nicht mehr gekräuselt, so, als täte es ihm leid, an der einen oder anderen Stelle etwas grob gewesen zu sein. So, dass ich ihm eigentlich die Hand geben möchte. Eine Reise geht hier zu Ende, denke ich. Es war ein langer, beschwerlicher Weg, den wir nur gemeinsam hinter uns bringen konnten. Und am Ende gibt es ein Muster hinter den Dingen, wenn es auch ein dunkles ist. Rückblickend muss man sagen: Es war klar. Es musste so kommen.
    Und dergestalt trete ich zu ihm hin.
    Ich überreiche ihm die Hand Fatimas , den Glücksbringer, den mir Abus Mutter mitgegeben hat.
    Eine angebrachte Geste, mein Gesicht sagt: Da haben wir es also doch noch geschafft, wir beiden, was? Schwer genug war’s ja, aber dann ging’s.
    Und er lacht ganz nett und zieht die Augenbrauen hoch, sein Gesicht sagt: Ja, ja, da haben wir es also doch noch geschafft, wir beiden.
    Ehe Abu dann übersetzt, dass der Derwischmann mein Geschenk nicht annehmen könne, da ich nach wie vor etwas Dummes und Unvorhandenes an mir hätte. Er müsse es leider so sagen. Aber ich dürfe nun reden auf unserem Weg zum Versteck. Ich dürfe nun versuchen zu erklären, warum ich so unvorhanden bin.

[zur Inhaltsübersicht]
    Der Traum des Jägers
    1
    Dass dieses Gewitter nervtötend sei, sagte Ana. Dass sie gleich einfach rausrennen werde, sie könne nicht mehr stillhalten, man könne nicht tagelang in diesem muffigen Wohnwagen rumhocken und nichts tun. Und dass unser Plan jetzt der sein müsse, noch einen Überfall zu machen, einen größeren, weil von dem letzten inzwischen nur noch fünfhundert Euro übrig seien und weil wir uns einen eigenen, besseren Wohnwagen kaufen müssten. Einen richtigen Campingbus. Um damit weiterzureisen.

    Dass sie wieder zu mir unter die Decke kommen solle, sagte ich. Und dass

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