Das große Leuchten (German Edition)
nahmen uns mit, wohin sie wollten, es lag an diesem Schuhcremezeug. Hier war alles belebter und greller, es gab Einkaufspassagen mit beschuppten Handtaschen in den Schaufenstern leuchtender Boutiquen. Auch Läden, bei denen man nicht genau wusste, was sie darstellen sollten. Sie glichen sich mit ihren cremefarbenen Sitzwürfeln und den kleinen, einfarbigen Bildern an den Wänden. Hinter den Schaufenstern bewegten sich fluffige Frisuren, und es gab Röllchen aus Fisch, aber auch computerähnliche Objekte, und dann wieder kam es mir vor, als wären die Läden alle kleine Museen für einfarbige Bilder, die überwiegend beige oder ocker waren.
Ana ging vor und erfand Namen für die Passanten, Hauke, Elke und Konstanze, manche hätten aber auch ganz fremde, außerirdische Namen, sagte sie. Mir kam es vor, als würde keiner dieser Passanten hierhergehören, als wären alle zugezogen und würden Selbstgespräche führen in einer jeweils nur für sie selbst verständlichen Sprache.
Dass ich wieder merkwürdig altmodisch oder sogar moralisch klänge, beinahe wie Robert, sagte Ana, und dass ich mich anscheinend immer nach Normalität sehnen würde, die kein Mensch brauche, denn eigentlich sei hier alles sehr schön und frei. Und außerdem solle ich jetzt nicht denken, ich solle mich treibenlassen.
Später dann hatte sie einen Pappzylinder voller Chinanudeln in der Hand, und es sah schön aus, weil sie so hungrig war und weil die Nudeln so zappelnd eingesaugt wurden in ihren glänzenden, hungrigen, redenden Mund.
Ich ließ mich treiben, so gut es ging, aber ich überlegte auch, wie man von hier aus wohl zurück in die Bastianstraße kommen könnte; ich war mir sicher, dass wir letztlich dort wohnen mussten und dass es dort letztlich auch einen Platz für uns geben würde, in der Normalität.
4
Vorher sollte allerdings noch ein erotischer Kunstfilm im Wohnwagen der als Achtziger-Jahre-Fitnesstrainerin verkleideten Lydia gedreht werden.
Draußen regnete es. Als wollte der Sommer schon zu Ende gehen, nachdem er grade erst begonnen hatte.
Ana sagte, dass wir gleich danach das Geld organisieren und weiterziehen sollten, am besten mit einer Kamera, die sie sich kaufen wollte, um ihre Dokumentationen zu drehen, und am besten direkt nach Teheran zu ihrer Mutter. Aber vorher wolle sie eben noch diesen Kurzfilm mit Lydia drehen, das auf jeden Fall noch.
Ich hatte ihr versprochen, mich darauf einzulassen und lag hier in meiner Jägerverkleidung, mit einem Filzhut und einer kratzigen Filzkutte auf Lydias Bett, während Lydia und Ana Kerzen arrangierten, um ein passendes Licht zu erzeugen. Wir hatten alle schon ziemlich viel Tütenwein drin; leise elektronische Zuckmusik kam aus Lydias CD-Player. «Der Wein und das Opium lösen», sagte sie mit ihrer feuchten Stimme. «Wir improvisieren dann offener.»
Ich versuchte, einigermaßen entspannt zu gucken – immerhin war der Wagen gemütlich eingerichtet: eine dunkle Höhle mit vielen Kissen und Decken, die Lampen waren mit roten Tüchern abgedeckt, ein paar Spiegel standen im Halbkreis um das große Bett.
Ich hatte ein Bündel Pfauenfedern in der Hand, das eigentlich ein Deko-Staubwedel war.
Als Ana sich zu mir setzte, begann ich, ihre Füße damit zu streicheln; sie spreizte die Zehen und zupfte an ihrem Haarreif rum, auf dem sich ein Plastikhorn befand. Sie sollte ein Einhorn spielen. Ihre Lippen waren mit pinkem Glitzerlippenstift angemalt. Dazu trug sie weiße Shorts und einen weißen Spitzen-BH.
«Folgende Situation, das Einhorn hat den Jäger in einen Wohnwagen gelockt», sagte sie. «Das ist die Grundhandlung. Von da aus improvisieren wir los!»
«In dieser Jägerkutte sind Läuse oder irgendwas drin.»
«Dann zieh sie aus, ist eh besser!»
Sie lächelte und half mir aus dem kratzigen Ding, und Lydia setzte sich zu uns aufs Bett, zündete ihre kleine Schuhcremepfeife an und reichte sie mir. Handschellen baumelten an ihrem Handgelenk.
«Entspann dich, Prinz, lass es auf dich zukommen», sagte sie. «Tu, als wären die Kameras gar nicht da.»
Was mir etwas zu professionell vorkam, war, dass die Kameras recht teuer und neu aussahen und dass sie gleich zwei hatte, eine in einem Ständer und eine in ihrer Hand, und aus der in ihrer Hand fuhr jetzt die Linse heraus, und das rote Licht daran leuchtete blinzelnd, als wäre es das Auge eines Tierchens, das gerade erwacht.
Gleichzeitig bösartig und dann auch wieder nicht.
Denn Ana zog ihren BH aus und fing an, meine Beine
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