Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Und großzügig, alle. Denn sie wissen um die richtige Reihenfolge: Man muss erst mal selbst was senden, um etwas zu empfangen. Und das ganz ohne Erwartungen, sondern aus reiner Freude an der Sache.
An einem anderen Tag besuchte ich die alte Studienkollegin einer Leserin, die Psychoanalytikerin Susan. Mit 60 hat sie beschlossen, Kunst zu studieren, und führt jetzt ein spätes zweites Leben.
» Eigentlich war es verrückt«, sagte sie, » genau in dem Moment mein Leben zu ändern, wo sich meine Berufserfahrung für mich auszuzahlen begann.«
Sie hat ein kleines Atelier gemietet, malt, probiert, lernt. Und wirkt einfach nur glücklich. Abends beim Essen zitierte sie eine Gedichtzeile von Mary Oliver: » Tell me, what is it you plan to do / With your one wild and precious life?«
Eine verdammt gute Frage, die ich mir in den letzten Monaten ebenfalls hin und wieder stelle. Das Tolle ist doch: Du darfst bis ans Ende deines Lebens immer neue Antworten darauf geben– nichts ist mir klarer geworden in diesem halben Jahr. Es ist nie zu spät für diese Frage– und erst recht nie zu spät für eine neue Antwort; dafür ist Susan das beste Beispiel, aber auch Carl, der trotz seines Ruhms als Chemiker ebenfalls mit 60 angefangen hat, Theaterstücke zu schreiben. Einfach weil er Lust darauf hatte.
Ich weiß nicht, ob es am Reisen liegt, das einen die Dinge immer so vereinfacht sehen lässt, so abgespeckt. Aber im Grunde ist es doch so wie auf dieser Karte hier:
Bist du glücklich, ja oder nein. Wenn ja, mach einfach weiter so. Wenn nein, ändere was. Es sei denn, du willst gar nicht glücklich sein– dann mach einfach weiter so.
Vermutlich fallen mir deshalb zurzeit so viele Leute auf, die einen Weg zu ihrem Glück gefunden haben, wie verrückt der auch immer wirken mag. San Francisco scheint immer schon ein besonders fruchtbarer Boden für sie gewesen zu sein. Von meiner Wohnung sehe ich zum Beispiel den Coit Tower oben auf dem Telegraph Hill: Zu verdanken hat die Stadt ihn Lillie Hitchcock Coit, die 1851 als Siebenjährige mit ihren reichen Eltern nach San Francisco zog und hier eine obsessive Liebe zur Feuerwehr entwickelte, speziell zur Freiwilligen Feuerwehrmannschaft Knickerbocker Engine Company Number 5, die sie mal aus einem Hotelbrand gerettet hatte. Wann immer fortan ein Feuer ausbrach, fuhr sie als Maskottchen auf dem Leiterwagen mit und feuerte ihre Mannschaft an. Angeblich hat sie sich sogar die Nummer5 auf ihre Unterhosen sticken lassen.
Lillie muss ein ziemlich flamboyantes Leben geführt haben. Sie war zeitweise mit zwei Männern gleichzeitig verlobt, wechselte ständig ihren Verlobungsring und heiratete dann gegen den Willen ihrer Eltern einen davon, Howard Coit. Als sie einmal gern einen Boxkampf sehen wollte, zu dem Frauen damals noch nicht zugelassen waren, ließ sie einen Preiskampf in einem Hotelzimmer ausrichten und schaute ihn von einem Tisch herab an. » Bis zum K. O.!«, verlangte sie. Sie trieb sich, als Mann verkleidet, in Spielhöllen herum, rauchte Zigarre und floh schließlich, als ein Verwandter versuchte, sie zu erschießen (sie hatte sich geweigert, ihm ihre Finanzverwaltung zu übertragen), und dabei einen Unschuldigen tötete, nach Paris, wo sie am Hof von Napoleon III . lebte. 1923 kehrte sie nach San Francisco zurück, sechs Jahre später starb sie mit 88. Der Coit Tower wurde mithilfe von 10 0 000 Dollar gebaut, die sie der Stadt vermachte. Bis heute heißt es in der Stadt, er sehe aus wie eine Feuerwehrspritze, aber der Architekt hat die Inspiration immer bestritten.
Vielleicht entwickle ich gerade ein seltsames Faible für meschuggene Erbinnen, aber mich fasziniert nun mal die Frage, was Menschen, die überraschend zu Geld gekommen sind, damit anfangen– schließlich schlage ich mich ja selbst ein wenig mit diesem Thema herum. Dieser unfassbare, unverdiente Glücksfall der halben Million, die da plötzlich auf mich herniedergeregnet ist, beginnt langsam in mir zu arbeiten. Was fange ich an damit, wie setze ich es ein? Verpflichtet mich das Eigentum, und wenn ja, wozu? Es einfach sinnlos zu verpulvern, das gehört sich nicht, finde ich. Ich habe immer gut für mich selbst sorgen können, ich habe keinen Nachholbedarf. Ich habe zwar mal im ersten Überschwang behauptet, ich würde mir vom Gewinn eine Birkin Bag von Hermès kaufen, aber inzwischen schüttelt es mich bei dem Gedanken. Für ein paar Stücke Leder mit zwei Henkeln dran 5000 Euro ausgeben? Idiotisch. Ich habe das
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