Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Taschencomputern):
Seltsamerweise schockiert mich der Anblick überhaupt nicht, sondern beruhigt mich eher. Was man kennt, fürchtet man nicht. Ich werde eine gut gelaunte Alte sein, die nichts ausgelassen hat und sich eines fernen Tages rückwärts ins Grab kippen lässt, fröhlich pfeifend und ohne jedes Bedauern.
Na gut, ich wechsle ja schon das Thema. Du hast Dein ganzes Leben noch vor Dir und fühlst Dich unsterblich. Ich habe jetzt ein Drittel hinter mir (kleiner Scherz) und fühle mich immer noch unsterblich.
Zurück zu Kopenhagen und warum ich gerade so sehr an Dich denken muss. Die Stadt hat etwas entwaffnend Halbwüchsiges an sich. Dänen erinnern mich in vielem an Teenager. Nicht nur, was ihre Vorliebe für Vergnügungsparks und Junkfood betrifft (Eis, neonfarbene Hotdogs, noch mehr Eis, Dosenbier), oder wegen der Kifferkommune Christiania in Spuckweite zur Innenstadt, sondern auch in ihrer liebenswerten Selbstüberschätzung, sich für die Allergrößten zu halten. Mir fiel beim Anblick all dieser Blondheit ein Zitat von Theodor Fontane über Hamburger Frauen ein: Sie sind » alle so zweifelsohne, haben innerlich und äußerlich so was ungewöhnlich Gewaschenes«. Zweifelsohne sein, angstlos und mit sich selbst im Reinen– vielleicht ist das der Schlüssel zum Glück? Bei Umfragen, welches das glücklichste Volk der Erde sei, belegen die Dänen seit Jahren einen Spitzenplatz. Irgendwas müssen sie richtig machen, und auch das wollte ich gern herausfinden.
Vorläufiger Zwischenstand: Sie haben eine ziemlich pragmatische Definition von Glück. Eine unaufgeregte Grundzufriedenheit, gesichert durch gutes Einkommen, Feierabend um vier und Besäufnisse am Wochenende. Das Ganze eingebettet in ein vorbildliches Sozial- und Bildungssystem und natürlich das unbezahlbare Gefühl, alles richtig zu machen. Hinzu kommt, dass der Wohlstand relativ gleichmäßig verteilt ist, es gibt kein großes Gefälle zwischen Arm und Reich. Glücksforscher behaupten ja immer: Zufriedenheit hängt nicht von der Höhe des Einkommens ab, sondern von der eigenen Position auf der Einkommensskala im Vergleich zu anderen. Erst der Vergleich macht unglücklich– es sei denn, dem Nachbarn geht es so gut oder schlecht wie einem selbst.
Ein weiteres Glücksrezept ist das konsequente friluftsliv: Beim kleinsten Sonnenstrahl wird alles stehen und liegen gelassen und mit Kind, Kegel und einem Sixpack nach draußen gezogen– der Winter ist schließlich lang genug zum Arbeiten. Es hat was von erlaubtem Schuleschwänzen, Du würdest es lieben. Du würdest auch das Havnebadet lieben, das kostenlose öffentliche Ponton-Schwimmbad im überraschend sauberen Hafenbecken von Kopenhagen, direkt gegenüber der Innenstadt. Die Becken sind veralgt, aber das stört hier keinen. Schon gar nicht die Jungs zwischen 5 und 55, die Arschbomben vom Sprungturm machen. Der perfekte Ort für einen faulen Sommersonntag. Oder Sommermontag. Oder Sommerdienstag.
Wenn ich hier auf den sonnenwarmen Holzplanken liege und dem Kreischen der Kinder zuhöre, habe ich schon wieder einen Körpergedächtnis-Flashback wie beim Radfahren: an Deine geliebten Freibadnachmittage nämlich. Es ist alles wieder da: wie die Haut nach einem Bauchklatscher brennt, wie Du zum ersten Mal die eigene Kraft gespürt hast beim Kraulen und beim Hochstemmen am Beckenrand, wie sich der scharfe Strahl der Fußpilzdusche unter der Fußsohle anfühlt und wie die Noppenfliesen, dass die Badekappe mit dem kleinen Luftpolstermuster nach mürbem Gummi riecht und dass hinterher die prasselnd heiße Dusche auf kalter Chlorhaut sofort eine zweite Gänsehaut erzeugt. Und der Heißhunger danach, den nur Salinos und ein Vanille-Milkshake stillen können.
Mein Gott, was ist es nur an Kopenhagen, dass ich nicht aus dieser Zeitschleife herauskomme?
Vielleicht weil nur Menschen aus meiner Vergangenheit in dieser Stadt auftauchten. Hier ist noch einer.
Erkennst Du ihn wieder? Ja, das ist Michael. Dein Michael. Erste-Liebe-Michael. Es gibt ihn immer noch in meinem Leben, was an ein Wunder grenzt. Er ist ein guter Freund geworden, gerade in den letzten Jahren. Ich werde den immer lieben, einfach dafür, dass er mich so gut kennt und hartnäckig trotzdem mag. Das T-Shirt auf dem Foto hatte er mir letzten Dezember vor meiner Abreise geschenkt: » If found please return to Hamburg«.
An einem Sonntag liefen wir durch die Stadt, drückten uns die Nasen platt am Fenster der Fahrradmanufaktur Sögreni, und ich
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