Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Projekte hatte. Und dass das Leben immer weiter geht, dass das Loch in meinem Leben ein Durchschlupf in ein neues ist.
Jedenfalls: der Ring. Ganz fein in seine Seite ist graviert: » This too will pass«, auch dies geht vorbei.
Der Spruch geht auf eine hebräische Legende zurück. Ein König– nach einigen Quellen Salomon– verlangte nach etwas, das ihn froh machen solle, wenn er traurig war, und traurig, wenn er glücklich war. Sein treuer Berater brachte ihm nach langem Suchen einen Ring mit der Inschrift » gam zeh ya’avor«– auch dies geht vorüber.
Die Vergänglichkeit sowohl des größten Glücks wie auch des größten Unglücks zu akzeptieren, das habe ich in den letzten Jahren wirklich gelernt. Stoisch bin ich deshalb noch lange nicht geworden, aber entspannter. Mein Ring war mir am Anfang Trost, Durchhalteparole, kleiner silberner Hoffnungsschimmer. Inzwischen erinnert er mich daran, die glücklichen Zeiten zu nutzen und zu genießen. Denn auch die bleiben nicht für immer, umso kostbarer sind sie.
Fange ich hier gerade an zu predigen? Liegt alles an Israel! Wie gesagt: das Großeganze liegt einem hier immer so verdammt auf der Zunge.
Tel Aviv war eines der ersten Ziele, das ich damals im Zug auf der Rückfahrt von Wer wird Millionär? auf meinen Zettel geschrieben habe. Mit keinem anderen Ort hatte ich schon vorher so viele verschiedene Emotionen verbunden: Neugier, Angst, Demut, Bewunderung, Verständnislosigkeit, Schuld. Von Kindeszeiten an war Israel gefühlt jeden Abend in der Tagesschau; es war für mich kein Ort, sondern ein Ausnahmezustand.
Dieser Ausnahmezustand ist inzwischen so sehr Normalität, dass ich wie vermutlich die meisten innerlich abschalte, wenn die Worte Hamas, Hebron, Gazastreifen, Grüne Linie, Golan in den Nachrichten fallen und fast dieselben Meldungen verlesen werden wie vor 25 Jahren. Mich machen solche lang andauernden Konflikte ebenso hilflos wie wütend. Ich bin in der glücklichen Naivität einer Nachkriegsgeborenen vielleicht einfach zu ahnungslos für sie. Jedenfalls wollte ich endlich ein Gefühl dafür bekommen, worum es hier geht. Ein Gefühl, sage ich– es zu verstehen, maße ich mir gar nicht erst an.
In diesem Land laufen viele Fäden meines Sabbatical-Jahres zusammen. Schon die Idee einer einjährigen Auszeit ist ja ein biblisches Konzept: » Sechs Jahre sollst Du Dein Feld besäen und sechs Jahre Deinen Weinberg beschneiden und die Früchte einsammeln. Aber im siebten Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Sabbat halten. Da sollst Du Dein Land nicht besäen und auch Deinen Weinberg nicht bearbeiten«, heißt es im Buch Mose.
Mir hat das immer sehr eingeleuchtet: Ein Tag Sabbat pro Woche ist gut, aber ein Sabbatjahr ist deutlich besser.
Auf YouTube sah ich mal einen Vortrag des österreichischen Graphikdesigners Stefan Sagmeister, der alle sieben Jahre sein erfolgreiches New Yorker Studio dichtmacht, ein Jahr lang keine Aufträge mehr annimmt und in der Zeit seinen eigenen Interessen folgt. (Google doch bitte mal seinen TED -Vortrag » The power of time off«, der lohnt sich.) Seine Überlegung: Warum nicht statt der üblichen Dreiteilung des Lebens in 25 Jahre Ausbildung, 40 Jahre Arbeit und 20 Jahre Rente lieber fünf der Rentenjahre in regelmäßigen Abständen zwischen die Arbeitsjahre schieben?
Ein Jahr hat er beispielsweise auf Bali verbracht, mit einheimischen Handwerkern gearbeitet, spielerisch und zu seiner eigenen Erbauung Ideen entwickelt. Sagmeister sagt (und nach meinen bisherigen Erfahrungen glaube ich ihm das sofort), dass seine Arbeit in den sechs Folgejahren fast ausschließlich auf Einfällen beruht, die er in der Auszeit hatte.
Genau so muss man ein Sabbatical angehen, finde ich: nicht als Erholung und Belohnung, sondern als Düngerphase, als Vorbereitung und Voraussetzung für die Ernte- und Arbeitsjahre danach.
Wenn schon die Auszeit religiöse Wurzeln hat, gilt das für das Reisen erst recht: Die frühesten Reisenden waren Pilger, die nach Mekka, zum Ganges oder nach Jerusalem aufbrachen. Was auch sonst als eine Wallfahrt zu einem heiligen Ort hätte im Mittelalter Grund sein können, etwas so Verrücktes zu tun wie seine Heimat zu verlassen?
Es lief also alles auf Israel und dort auf Tel Aviv hinaus, Sin City, Jerusalems verlotterte kleine Schwester. Es klingt verrückt nach neun Monaten Weltreise, aber bei der Einreise und in den ersten Tagen war ich zum ersten Mal wirklich nervös. Überhaupt nicht wegen der
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