Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Gefahren oder wegen HaMatzav, der Lage, wie die Israelis den gordischen Knoten ihrer Existenz so trocken nennen, sondern weil ich Deutsche bin. Wie würde es mir hier gehen, wie würde ich empfangen werden? Eine ähnliche Scheu hatte ich zuletzt mit Anfang 20 bei meinen ersten längeren Reisen. Wenn mich damals jemand für eine Holländerin oder Schwedin gehalten hat, habe ich das nie korrigiert. Ich mochte nicht identifiziert werden mit meinem Land, an dem mich damals so viel empörte. Ich hätte einiges dafür gegeben, keine Deutsche zu sein. Wie man das eben so empfand in dem Alter und zu dem Zeitpunkt.
Das ist gottlob längst vorbei, aber hier in Israel stieg die alte Befangenheit wieder in mir hoch. Lauter kleine Situationen: Ich gehe in ein Weingeschäft in meiner Straße und bitte auf Englisch um Beratung. Der weißbärtige Besitzer antwortet nach einem langem Blick auf Deutsch. Sehr höflich, sehr sachlich– und mir wird trotzdem sehr anders.
Ich fahre im Taxi zu einer Dinnereinladung, der Fahrer plaudert auf Jiddisch mit mir. Ich verstehe das meiste. Auch dass seine Tante im KZ Bergen-Belsen war, was er ganz beiläufig erwähnt, ohne jeden Vorwurf, fast wie eine Anekdote.
Anderes Erlebnis: Ich höre Radio auf Hebräisch und verstehe natürlich kein Wort. Aber plötzlich mitten in einem Werbespot ein deutscher Satz: » Und der Gewinner des deutschen Designpreises 2011 ist der– Kia Rio!« Applaus, weiter ging es dann auf Hebräisch. Da wird Deutsch also als Verkaufshilfe eingesetzt, als Beweis für Qualität.
Mit anderen Worten: gemischte Erlebnisse, gemischte Gefühle. Aber überhaupt keine schlechten. Nicht ein einziges Mal hat man mir etwas Negatives entgegengebracht, alle Probleme finden ausschließlich in meinem Kopf statt. Wie so oft im Leben.
Vollends geheilt war ich, als ich neulich wie jeden Samstag einen frisch gepressten Granatapfelsaft neben dem Bauhaus Center in der Dizengoff-Straße trank. Ich setzte mich auf die Bank davor und bin, wie praktisch immer hier in Tel Aviv, mit meinem Banknachbarn ins Quatschen gekommen.
Diesmal war es eine etwa 60-jährige Bildhauerin aus London, geboren und aufgewachsen in Israel, die zu einem Klassentreffen ihrer Kunsthochschule angereist war. Wir plauderten über nationale und individuelle Identitäten, und sie sagte: » Ich sage einem Fremden nie, dass ich aus Israel bin. Die Debatten sind mir einfach zu anstrengend. Stattdessen behaupte ich immer, ursprünglich aus Österreich zu sein, von daher sind nämlich meine Eltern eingewandert.«
Überhaupt ist auffällig, wie leicht hier im Unterschied zu anderen Städten der Kontakt fällt: Auf der Strandpromenade stellt sich ein alter Mann zu mir, während ich aufs Meer schaue, erzählt mir in bestem Englisch Geschichten von Andromeda und Perseus, hält am Ende meine Hand und baggert ganz entzückend und munter vor sich hin. Wie alt er sei, frage ich.
» 83«, sagt er.
» Ach, wenn Sie nur drei Jahre jünger wären…«, sage ich.
Er lacht und lässt mich ziehen.
Und noch eine Begegnung: Ich gehe durch Neve Tzedek, den ältesten Teil von Tel Aviv, und gucke und fotografiere und entdecke in der Shabazi Street ein merkwürdiges Haus. Sind das… Beachtennis-Schläger da ums Fenster herum genagelt? Tatsächlich. Ein kleiner alter Mann spricht mich plötzlich von hinten an: » Das ist meine Wohnung! Wollen Sie sie mal sehen? Kommen Sie mit!«
Klare Sache: Hinter ihm her, Treppe hoch, rein in die Wohnung. Und dort das, in allen Räumen:
Schläger aus Glas und aus Marmor, gehäkelte Schläger und Schläger als Puzzle, ein zweieinhalb Meter langer Tisch in Form eines Schlägers, Trophäen, T-Shirts, Fotos– ich stehe und staune und lache.
Amnon Nisim ist 67 und spielt seit sechzig Jahren jeden Morgen um sechs vor dem Gordon-Strand Matkot– das israelische Beachtennis, bei dem keine Punkte gezählt werden, eine nationale Obsession. Vor dreißig Jahren hat er angefangen, seine Wohnung zu einem Matkot-Museum zu machen. Viele Exponate haben Künstler speziell für ihn angefertigt. Amnon schiebt mir zu Ehren ( » Sie sind doch deutsch?«) eine CD von Caterina Valente ein und singt mit, holt Süßes aus dem Kühlschrank und zeigt mir seine gigantische Plattensammlung: » Elvis! Originalpressung!«
Mit anderen Worten: Nirgends habe ich bisher so viele charmante, offene und flirtige Leute auf einem Haufen getroffen. Ich hatte Sorgen, als Deutsche geschnitten zu werden? Ha! Was Besseres, als groß und blond zu
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