Das große Los: Wie ich bei Günther Jauch eine halbe Million gewann und einfach losfuhr (German Edition)
Nach einiger Zeit den Kopf ablegen und merken: auch der ist getragen. In den Nachmittagshimmel schauen und zusehen, wie er immer dunkelblauer wird. Und zuhören, wie die anderen Badenden immer stiller werden. In der Dämmerung treiben wir, die wir noch geblieben sind, einfach nur stumm und glücklich in der warmen Lake, die Haut schon jetzt so zart wie nie, das Hirn so leer, das Herz so weit.
Wasser war schon immer mein Breitbandtherapeutikum. Wann immer ich im Leben nicht weiter wusste, bin ich ans Meer gefahren. Ich gucke mir die unendliche Weite an, das große Blau und Weiß: Vor mir liegt ein Ozean an Möglichkeiten. Alles geht. Und zwar immer mehr, als ich mir überhaupt vorstellen kann. Wie der große Philosoph Udo Lindenberg sagt: Hinterm Horizont geht’s weiter. Ich schaue aufs Meer und entdecke das Meer in mir– die Ruhe, die Kraft, die Freiheit und oft genug auch das Abenteuer.
Ich bin im Norden aufgewachsen, und wahrscheinlich ist das Meer deshalb mein Element. Menschen aus dem Süden gehen vielleicht eher in die Berge, andere in den Wald. Ich glaube, jeder hat seine eigene Seelenlandschaft. Eine, die zu ihm spricht, die ihm etwas Wichtiges zu sagen hat. So einen Ort zu haben, an den man jederzeit zurückkehren kann wie zu einer Kur, ob tatsächlich oder in Gedanken, ist unendlich tröstlich. Und da ich ja vorhin vom Glauben sprach, würde ich so weit gehen zu sagen: Das Meer ist meine Kirche.
Ich hätte schwören können, dass ich höchstens 15 Minuten im Toten Meer gelegen habe – es war mehr als eine Stunde. (Unter den zehn schönsten Stunden dieses Jahres hat die schon jetzt einen Spitzenplatz.) Daraufhin habe ich mich kurz entschlossen über Nacht in einem Badehotel eingemietet, dieses süchtigmachende Gefühl wollte ich unbedingt am nächsten Morgen wieder haben.
Früh um halb acht dümpelten schon ein russisches und ein israelisches Herrenkränzchen mit Morgenzigarre in der Lake, aber schon ein paar Meter weiter war es, als wären sie gar nicht da. Jeder existiert hier in seiner eigenen kleinen Welt.
Und wieder eine Stunde völligen Abtauchens. So kenne ich mich überhaupt nicht; normalerweise rattert mein Hirn in Situationen, in denen ich mich entspannen soll, gnadenlos weiter. Ich bin zum Beispiel eine komplette Meditationsversagerin, ich habe noch nie an nichts gedacht. Aber hier im Toten Meer übernimmt ganz schnell das Amphibiengehirn, die Atmung wird tiefer, der Puls langsamer. Ich kann quasi zuhören, wie mein Metronom immer gelassenere, ruhigere Ausschläge macht.
Alles ist hier wie abgefedert. Das Wasser trägt wie ein Gentleman, der Wind weht mild, durch den hohen Brom- und Magnesiumgehalt der Luft ist die Sonne ein glasiger Schein, UVB -Strahlen werden herausgefiltert. Das Tote Meer ist der tiefste Punkt der Erde, 420 Meter unter dem Meeresspiegel, und genau so fühlt es sich auch an: Man lässt sich sinken und wird gehalten, sicher aufgefangen im tiefen Schoß der Erde.
Bei der nächsten Lebenskrise würde ich sofort die Koffer packen und eine Woche Totes Meer buchen. Sie sollen mich mit Schlamm einreiben, mit Salz massieren und dreimal am Tag eine Stunde ins Wasser schmeißen– und ich bin so gut wie neu.
» Salzwasser heilt alles«, schrieb Tania Blixen, deren Haus in der Nähe von Kopenhagen ich im August besichtigt habe, » in welcher Form auch immer: ob als Schweiß, Tränen oder Meerwasser.«
So. Mir ist gerade zu meinem Schrecken aufgefallen, dass ich schon über alles Mögliche geschrieben habe – aber noch gar nicht über Tel Aviv. Vielleicht fangen wir besser mit der Schwesterstadt Jaffa an, einem der ältesten Häfen der Welt. Deren Geschichte ist, wie bei allem, was 4000 Jahre alt ist, komplex. Mal sehen, ob ich das noch zusammenkriege: Gegründet – der Legende nach – von Japheth, dem Sohn Noahs. 1468 v. Chr. an die Ägypter gefallen. Dann babylonisch, persisch, phönizisch bis zu Alexander dem Großen, der einfach in die Stadt geritten kam und sie ohne Gegenwehr übernahm. Kein Wunder, zu diesem Zeitpunkt war es auch schon egal, wem sie gehörte. Dann byzantinisch, im 11. Jahrhundert kurzes Kreuzfahrer-Intermezzo, dann wieder ägyptisch. 1515 Teil des Osmanischen Reichs, 1799 Napoleon. Dann wieder Ägypter, dann Türken. Seit 1917 unter britischer Besatzung. Seit 1948 israelisch. Seit 1950 vereint mit Tel Aviv, das 1909 aus Jaffa heraus gegründet wurde. Heute ist ein Drittel der Bevölkerung arabisch.
Warum erzähle ich das? Weil das Thema der
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