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Das große Los

Das große Los

Titel: Das große Los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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die Arme, während eine andere Gestalt sich auf die Hand mit der Waffe warf.
    »Heil und gesund?« fragte eine Stimme, angstgequetscht.
    Es war der junge Lapointe, der Inspektor mit dem Gesicht des Jungvermählten, den sie noch nie so aufgeregt erlebt hatte. Er hatte keine Zeit, sie weiter auszufragen, denn während auf dem Boden noch gekämpft wurde, trat der dicke Émile Berna, der Chef höchstpersönlich, an das junge Mädchen heran und legte ihr beide Hände auf die Schultern.
    »Was bin ich froh …« stammelte er. »Heilfroh, daß wir rechtzeitig da waren …«
    Der Schweiß rann ihm über die Stirn, übers ganze Gesicht.
    »Noch nie im Leben habe ich solche Angst ausgestanden. Dieser Justin!«
    »Ich hab alles erfahren«, meldete sie eifrig.
    Doch er, mit einem Achselzucken:
    »Ist mir egal. Wichtig ist bloß, daß du noch lebst. Wenn mir Justin nochmal so einen Streich spielt …«
    »Der war es nicht. Ich war es, die …«
    »Er hat alles gewußt. Er hat mich heut nachmittag am Quai des Orfèvres angerufen und darum gebeten …«
    »Um was?«
    Das Klicken von Handschellen, während zwei Männer aufstanden und der dritte am Boden liegenblieb.
    »Chef, wissen Sie, wer das ist?«
    »Ich hab’ hier mit der Kleinen zu tun …«
    Denn Berna hatte sich nie entschließen können, sie wie eine Erwachsene zu behandeln.
    »Du hast gute Arbeit geleistet, ohne es zu ahnen, aber wir wären auch so draufgekommen …«
    »Meinen Sie?«
    Er knurrte.
    »Nein. Aber du hättest mir den Herzkasper erspart, den ich mir womöglich eingehandelt habe.«
    »Es ist Rabut«, verkündete Lapointe.
    »Der Rabut mit den Auktionshäusern?«
    Und dann zu Lili, nach einem Blick auf den Mann am Boden:
    »Hat er geredet?«
    »Er hat mir seine ganze Lebensgeschichte erzählt. Die Männer sind den Frauen ähnlicher, als man denkt, und schütten einem genauso gern ihr Herz aus.«
    »Wird eine schöne Geschichte gewesen sein! Machen wir, daß wir hier rauskommen.«
    Beim Hinaustreten auf den Treppenabsatz fiel ihr der Mann mit den Goldzähnen ein.
    »Was habt ihr mit dem gemacht, der Schmiere gestanden hat?«
    »Ich hab’ ihn von jemand wegholen lassen.«
    »Von wem? Wieso ist er nicht mißtrauisch geworden? Hier drinnen war nichts zu hören.«
    »Weil einer kam, dem er restlos vertraute und der ihn gebeten hat, mal kurz runterzukommen.«
    Sie hatten das Gäßchen erreicht. An seinem Eingang parkten drei Autos, und hundert Meter weiter eine grüne Minna. Beide Straßenkreuzungen waren mit Polizeiketten abgeriegelt.
    Als sie mit Rabut eingeschlossen gewesen war, hatte Lili nie an ein solches Polizeiaufgebot in der Umgebung gedacht. Berna ließ sie ins erste Auto steigen.
    »Quai de la Tournelle«, wies er den Fahrer an.
    Dann wandte er sich an einen der Inspektoren.
    »Habt ihr Duclos angerufen?«
    Sie fragte verblüfft:
    »Schläft er denn nicht?«
    »Er hat heute nacht kein Auge zugetan. In Wirklichkeit hat er alles geleitet.«
    »Aber er wußte doch nichts!«
    »Der wußte so wenig, daß er mich schon heut nachmittag um vier angerufen und von mir verlangt hat, die ›Bar des Copains‹ mit Polizisten zu umstellen.«
    »Er wußte doch gar nicht, daß ich dorthin wollte.«
    »So wenig, daß dich zwei meiner Männer beschattet haben, sobald du daheim aus der Tür warst.«
    Sie war kurz kindlich eingeschnappt.
    »Dann hätte er mich ja gar nicht gebraucht.«
    »Im Gegenteil. Wir hätten hundertmal in die ›Bar des Copains‹ kommen und nach Monsieur Gaston fragen können, ohne den geringsten Erfolg. Die kleinen Fische verhaften? Die hätten nicht Piep gesagt.«
    »Hat er auch gewußt, daß es der ist, der auf ihn hat schießen lassen?«
    »Ja.«
    »Und der …«
    Sie wollte gerade von ihrem Vater anfangen, von ihrer Mutter, doch sie verstummte. Sie waren schon am Quai de la Tournelle, wo die Kastanienbäume leise rauschten. In einem Fenster war noch Licht, im vierten Stock, und in dem erleuchteten Viereck sah man den Schatten eines reglosen Kopfes.
    Es war Berna, der die Concierge herausklingelte und im Vorbeigehen knurrte:
    »Zu Duclos …«
    Sie stiegen hintereinander die Treppe hinauf. Im Vorbeigehen sahen sie, wie Juliette die Tür einen Spaltbreit aufmachte, feststellte, daß Lili nicht allein war, sich ertappt fühlte und schnell wieder zumachte.
    Es tat gut, den Frieden des Wohnzimmers vorzufinden, Justin Duclos in seinem Rollstuhl, die Pfeife im Mund.
    »Da bringe ich dir das Gör zurück! Haben sie dir durchgegeben, daß alles vorbei

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